- 102 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Noch erwähnt werden soll, dass auf professioneller Ebene Punktierungen tatsächlich auch sehr unterschiedlich ausgeführt werden, sie bieten reichhaltige Möglichkeit zur persönlichen und stilistischen Gestaltung.

Als Konsequenz aus den Gesetzmäßigkeiten der Zeitwahrnehmung bleiben als Tatsachen festzuhalten,
—  dass eine Neigung besteht, akzentuierte Ereignisse zu verlängern bzw. lange zu akzentuieren,
—  dass die Toleranz gegenüber Abweichungen von der ›rechnerisch‹ richtigen Ausführung groß ist,
—  dass womöglich ein biologisches Bedürfnis nach Abweichung besteht,
—  dass die Wahrnehmung Verhältnisse von 1 zu 2 oder 1 zu 3 bevorzugt.
Zeitverarbeitungsebenen der experimentellen Psychologie

Wie zu Beginn dieses Abschnitts dargestellt wurde, ist die bewusste Zeitverarbeitung durch ihre individuelle Prägung ausgesprochen subjektiv. Die experimentelle Psychologie dagegen bemüht sich darum, objektive Angaben darüber zu ermitteln, wie genau die menschliche Zeitverarbeitung funktioniert. Dafür werden Versuchspersonen vor die Aufgabe gestellt, Dauern miteinander zu vergleichen oder Muster von Clicks in verschiedenen zeitlichen Anordnungen miteinander zu vergleichen. Auf der Grundlage von Versuchsergebnissen unterscheidet Rammsayer (2000) grundsätzlich folgende Arten der zeitbezogenen Wahrnehmung:

Zeiterleben

Dieser Begriff umschreibt die subjektive, innerlich individuell konstruierte Realität, die von gespeicherten, abrufbaren Erfahrungsinhalten abhängig ist.

Zeitschätzung

Hiermit ist die aktive, zielgerichtete Beurteilung (physikalischer) Reize gemeint, wie sie in der ›Laborsituation‹ gefordert ist. In der Regel geht es um den Vergleich von unterschiedlichen Dauern oder Mustern. Diese Art der Aufgabenerfüllung, bei der Stimuli kurzzeitig im Gedächtnis gespeichert und mit neuen Stimuli verglichen werden, wird dem so genannten Arbeitsgedächtnis zugeschrieben (zum Arbeitsgedächtnis vgl. das Zeitverarbeitungsmodell von Pöppel in Abschnitt 6.1.1 sowie Abschnitt 5.4.3).

Zeitwahrnehmung

Dieser – leider sehr allgemeine – Begriff meint bei Rammsayer die unbewusste Verarbeitung extrem kurzer Zeit-Reize. Erst Reize ab einer halben Sekunde Länge können kognitiv rekonstruiert und somit bewusst verarbeitet werden.


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