gesagt, in der
Unfähigkeit, rhythmisch-prosodische Informationen zu dekodieren. Bereits in
Abschnitt 5.1.1 war die bedeutsame Rolle der Prosodie im Spracherwerbsprozess
geschildert worden. Weinert betont nun den Zusammenhang von suprasegmentaler
Information und Gedächtnisleistung (ebd., S. 255ff.). Schon Säuglinge sind in der Lage,
mit Hilfe von prosodischen Informationen Veränderungen in gesprochenen Sätzen
wahrzunehmen. Werden die Sätze dagegen monoton gesprochen, entfällt diese
Unterscheidungsleistung. Genauso wird das Lernen von Kunstsprachen durch
die Verfügbarkeit von prosodischen Informationen erleichtert. Fehlt nun die
rhythmisch-prosodische Gliederung im Sprachangebot oder kann sie wegen individueller
Defizite nicht genutzt werden, wird die Sprachverarbeitung und Sprachspeicherung
erheblich beeinträchtigt.
Weinert geht nun davon aus, dass Spracherwerbsstörungen durch die Unfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses ausgelöst werden, rhythmisch-prosodische Informationen zu verarbeiten. Hermann Schöler (2000, S. 285ff.) dagegen nimmt an, dass die Funktionstüchtigkeit der phonologischen Schleife (als Funktionsbestandteil des Arbeitsgedächtnisses, das für die Erfassung auditiver Stimuli zuständig ist, vgl. den folgenden Abschnitt 5.4.3) und die Verarbeitung rhythmisch-prosodischer Informationen derart konfundiert sind, dass es schwierig ist, eindeutig das Verursacherprinzip zu klären. Nach Schölers Meinung ist eher eine grundsätzliche Beeinträchtigung der phonologischen Schleife bzw. der Arbeitsspeicherkapazität als Ursache für spezifische Sprachstörungen anzunehmen, also ein Defizit der Gedächtnisfunktion (ebd.). Auch wenn die Frage der differenzierten Verursachung nicht abschließend geklärt ist, bleibt festzuhalten, dass Gedächtnisfunktionen eine wichtige Rolle im Umgang mit sprachlichen Reizen spielen. Die Rolle des Gedächtnisses in der psychischen Verarbeitung von Zeit bzw. Rhythmus wird in Abschnitt 6.1 ausführlich dargestellt.
5.4.3. Die Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses für zeitlich-rhythmische LernprozesseFür sprachbezogene Lernprozesse ist es unverzichtbar, dass schon vorhandene Informationen mit neuem ›Input‹ in Beziehung gesetzt werden. Verantwortlich für den Abgleich von neuen Informationen mit gespeicherten Erfahrungen oder Wissen ist das so genannte Arbeitsgedächtnis, dessen Aktivität im präfrontalen Cortex (vgl. Goldman-Rakic 1992) stattfindet. Ein viel zitiertes Modell der hier gesteuerten Funktionen geht auf Alan Baddeley zurück. Sein Arbeitsgedächtnismodell liefert theoretische Grundlagen für zahlreiche experimentell beobachtete Phänomene. Es wird hier auch deshalb ausführlich geschildert, weil es nicht nur über die Sprachverarbeitung Aufschluss gibt, sondern auch auf musikalische Inhalte angewandt worden ist.
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