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- 6 - Dieter Hildebrandt, Piano, piano!


Und es war endlich eine Briefstelle, aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, eine geradezu wundersame Passage, in der die traulich-traurige Stimmung eines Schubert ebenso mitschwingt wie der Pioniergeist des späten Liszt, die einem Brief von Brahms an Clara Schumann ebenso entsprechen könnte wie den Notizen Louis Moreau Gottschalks. Dieser Verführungstext lautet:

»Jetzt kommt das, was mich so froh sein läßt: Ohne besondere Absicht setzte ich mich nach dem Abendessen an den Flügel und improvisierte. Und ich habe das erste Mal ein ganzes geschlossenes Stück improvisiert, wie ich mir meine Musik immer vorgestellt habe: Ich fand diese improvisierte Musik wunderschön. Wie so etwas geschehen kann ...  Noch ist mir das so überraschend, daß ich es in allen Nerven spüre. Aber denken darüber will ich jetzt nicht. Himmlisch schön ist unsere Musik - manchmal -, heut abend war es wunderschön.« Und das, ausgerechnet, ist von Karlheinz Stockhausen!

Wenn aber das Klavier der geheime Held des 19. Jahrhunderts gewesen ist - was war es dann im 20.? Wenn man es noch einmal personifizieren wollte - welche Rolle könnte man ihm zuweisen? Denn daß es zu einem Heldenleben, zu einer das Säkulum repräsentierenden kulturheroischen Leistung nicht mehr getaugt hat, müssen wir akzeptieren, müssen wir sogar voraussetzen: Das Instrument des 20. Jahrhunderts hatte eine andere Tastatur: es war in der ersten Hälfte die Schreibmaschine, in der zweiten der Computer.

Eine erste Antwort: Das Klavier war auf der Suche nach lauter neuen Jobs. Es diente sich dem Säkulum als agiler, einsatzbereiter und allzeit praktischer Gelegenheitsarbeiter an. Es war, trotz seiner schwierigen Transportabilität, fast immer zur Stelle, wo und wenn sich etwas Neues anbahnte. Das Klavier lernte, nicht mehr nur Instrumente und Sänger zu begleiten, sondern auch Techniken und Trends. Es war, wie Peter Rummenhöller treffend sagt, »der Seismograph der Moderne«.


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