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- 5 - Dieter Hildebrandt, Piano, piano!


Ingenieurgeist im vorelektrischen Zeitalter noch einmal zu einem Geniestreich überein, und die Musik der Epoche ging dabei zur Hand: in den Kontraststrukturen von Beethoven, Schumann und Brahms, in den wahnwitzigen Virtuositäten Chopins und Liszts und ihrer Nachfolger, zu guter Letzt in den Eskapaden an der Grenze der Tonalität.

Die Geschichte des Klaviers im 19. Jahrhundert ließ sich ja auch erzählen mit den Auftritten der großen Komponisten, die fast alle hervorragende Pianisten gewesen sind, die (mit der Ausnahme des fingerinvaliden Robert Schumann) ihre Werke meist selbst zuerst gespielt und »in den Raum« gestellt haben, nicht nur in den konkreten des Salons oder des Konzertsaals, sondern auch in den imaginären der Musikszene. Die Virtuosität hatte sich noch nicht abgekoppelt von der Produktion, der öffentliche Auftritt nicht vom Schaffensakt, und der Applaus belohnte (oder ein Zischen bestrafte) nicht allein die Darbietung, sondern auch die gelungene (oder vermeintlich gescheiterte) Vollendung des Werks.

Dieses Buch ist also ein Wortbruch. Es ist die Revision einer allzu kategorischen Verabschiedung. Die Konsequenz aus der Einsicht, daß Totgesagte länger leben. «Daß es den populären Run aufs Klavier wie einen Volkslauf gibt, daß die großen Pianisten verehrt werden wie Kultfiguren«, das immerhin war auch schon die Einsicht am Ende des ersten Pianoforte-Buches. Und auch, daß die großen Tastenkünstler uns in ihren Konzertabenden Bruchstücke eines vergangenen Heldenlebens vorführen.

Es waren Komponisten und Pianisten selbst, die zu diesem zweiten Versuch animiert haben. Es war eine Äußerung wie die von Strawinsky zu seinem Piano-Rag: »Es begeisterte mich vor allem, daß die verschiedenen rhythmischen Episoden des Stücks mir von den Fingern selbst geradezu diktiert wurden, und weil meine Finger solchen Spaß daran hatten, habe ich das Stück geschrieben ...  Man soll die Finger nicht verachten, sie geben uns viele Anregungen und im Kontakt mit dem klingenden Instrument erwecken sie Ideen, die im Unterbewußtsein schlummern und sonst verborgen bleiben würden.« Und es war ein Seufzer, den Friedrich Gulda gleichsam stellvertretend für die Musiker des 20.Jahrhunderts geäußert hat:

»Aber, mein Gott, so ganz ohne Klavier, das wäre schon schrecklich, furchtbar.«


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