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- 4 - Dieter Hildebrandt, Piano, piano!


Kann man, allen Ernstes und guten Gewissens, das Klavier ins neue Jahrtausend retten, nur weil es im 20. Jahrhundert auch noch traktiert wurde? Kann man seine Wichtigkeit gutgläubig behaupten, nur weil es heute mehr Pianisten gibt als je zuvor (allein in New York sollen es zehntausend mit Konzertreife sein)? Kann man vom Klavier als einem noch immer zeitgemäßen Instrument sprechen, nur weil es wieder eine seltsam besessene Elite von Kindern gibt, die dafür Computer, Tennisschläger, Pferdesattel und Mountainbike stehen- und liegenlassen? Kommt dem Klavier noch irgendeine gesellschaftliche Relevanz zu, nur weil es noch ein Publikum gibt, für das unter allen »Events« ein Klavierabend der faszinierendste ist? Ist es wirklich ein Beleg für das Fortleben der Pianoforte-Kultur, wenn sich Plattenfirmen zusammentun, um auf zweihundert CDs mit siebzig Künstlern die »Great Pianists of the 20th Century« zu einem Klangpanorama der Klavierkunst zu vereinen? Stellt nicht sogar die professionelle Musikkritik Fragen wie diese: »Was aber erzählt uns das Klavier heute von der Welt?« und gibt zu verstehen, daß die Antwort zweifelhaft sei.

Und endlich: Könnte eine Ehrenrettung des Klaviers, wenn sie denn möglich wäre, von einem Autor kommen, der das Instrument programmatisch dem 19. Jahrhundert zugeschrieben und als dessen besondere Kulturleistung bezeichnet hat? Der sich zu der Behauptung verstiegen hat: »Das Klavier hat nicht nur das Zeug zu einer Romanfigur, es ist so etwas wie der heimliche Held des 19. Jahrhunderts. Sein heimlicher, sein gelegentlich unheimlicher, sein oft auch unheimlich komischer Held«?

Denn das war ja die These im »Roman des Klaviers im 19. Jahrhundert«: Das Klavier sei der perfekte Resonanzboden eines vergangenen Säkulums, sei dessen zum Klangkörper gewordene Ideologie, sein Musik gewordener Fortschrittswille, sei Ausdruck seiner romantischen Strömungen wie seines Schnelligkeitswahns, seines Voyeurismus und seiner Seelenlagen, seiner Wohnkultur wie seiner Fabrikationslust. Am Flügel - so das Fazit - kamen Ingenium und


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