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- 5 - Arthur Rubinstein: Erinnerungen - Die frühen Jahre


Polizeiwache.«

»Was mache ich, wenn die Polizei mich morgen ausweist?«

»Dann erklären Sie, daß Sie das Recht haben, am Wettbewerb teilzunehmen. Dieses Recht wird dann überprüft, und wenn der Bescheid abschlägig ist, übernimmt der Advokat die Angelegenheit.«

Einigermaßen beruhigt überließ ich ihm meinen alten Paß. Nach ausgiebigem Schlaf und ebensolchem Frühstück ging ich ins Konservatorium, um mich einzuschreiben und bei Glasunow vorzustellen.

Schon waren alle Teilnehmer dort versammelt, nicht mehr als zwanzig insgesamt. Vier von ihnen kannte ich gut, sie und einige andere waren bekannte Konzertpianisten. Glasunow empfing mich im Direktionszimmer. Er war merklich betreten.

»Sie hätten nicht kommen dürfen«, sagte er. »Man wird Ihnen keine Aufenthaltsgenehmigung erteilen. «

»In diesem Fall werde ich einen weltweiten Skandal entfesseln! Übrigens hält sich ein hiesiger Advokat bereit, meine Rechte zu vertreten.«

»Zu meinem großen Kummer sind Sie als einziger in dieser mißlichen Lage. Die anderen russischen Juden haben auf russischen Konservatorien Examen gemacht und sind mithin swobodnija houdojniki (freie Künstler), und die ausländischen Juden haben ihre ausländischen Pässe.«

»Nun, was auch geschehe, erlauben Sie mir doch, am Wettbewerb teilzunehmen«, flehte ich ihn an. Er war einverstanden; schließlich durfte er mich nicht ablehnen.

In der Halle gesellte ich mich zu den anderen, wir unterzeichneten irgendwelche Formulare, losten die Reihenfolge unseres Auftretens aus. Ich zog Nummer 12. Sodann scharten wir uns um ein Büffet und schlossen nähere Bekanntschaft. Schon bald schwatzten wir in allen erdenklichen Sprachen munter drauflos. Ein Russe deutete auf einen jungen Menschen mit Brille. »Das ist Alfred Hoehn, ein Deutscher, der kriegt den Preis.«

»Woher wollen Sie das wissen? Ist er ein Genie?«

»Er besitzt einen Empfehlungsbrief von dem Großherzog von Hessen an dessen Schwester, die Zarin Alexandra«, sagte er, »und ohne Zweifel wird das der Jury zur Kenntnis gegeben.«

Lauter Klatsch, dachte ich, immerhin war mein Interesse für den deutschen Pianisten geweck. Nach einer kurzen Unterhaltung war klar, daß Hoehn und ich vieles gemein hatten; seine Ansichten über das Klavier und über Musik entsprachen in etwa den meinen, und beide verehrten wir Brahms.

Da die Teilnehmer ihr Instrument selber auswählen durften, machte ich mich auf die Suche nach dem Bechsteinvertreter und fand den nettesten Menschen, den man sich denken kann. Herr Diederichs ließ mich einen herrlichen Bechstein-Flügel probieren und lauschte aufmerksam meinem Spiel.

»Sie haben das Zeug zum Sieger«, rief er dann. »Ich wette, Sie und mein Instrument erhalten den Preis! «

Auf diese ermutigenden Worte folgte noch eine Einladung zum Mittagessen. Als er hörte, daß ich meine Anwesenheit als Demonstration gegen Stolypin auffaßte und mir Schwierigkeiten mit der Polizei drohten, reagierte er höchst empört, und ich mußte ihn beschwichtigen. Ich gewann an ihm


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