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- 4 - Arthur Rubinstein: Erinnerungen - Die frühen Jahre


Das war gar nicht so schlimm. Mit Barth hatte ich die Sonate opus 90 von Beethoven studiert, eine der leichteren mit nur zwei Sätzen. Bei Schumann konnte ich zwischen »Carnaval« opus 9 oder »Papillons« wählen. Die Sachen von Chopin waren mir vertraut, in meinem Repertoire fehlten nur eine Etüde von Liszt und die vierstimmige Fuge von Bach.

Allerdings - und das wußte ich nur zu gut - wettbewerbsreif war überhaupt nichts von alledem. Einen schönen musikalischen Wurf brachte ich jederzeit zustande, doch vernachlässigte ich immer noch die Details und die präzise Technik, ein Laster, dem ich jahrelang huldigte. Antek und die Seinen gaben sich optimistisch. «Falls Sie sich wirklich dahintersetzen, lernen Sie die Sachen im Handumdrehen.«

»Das ist es ja! Ich spiele gerne den lieben langen Tag, aber das Üben habe ich nach einer Stunde satt.«

Antek sagte: »Hör mal, Arthur - bloß mal so, uns zu Gefallen:

Lerne bis zum Mittagessen den ersten Satz des Klavierkonzertes von Rubinstein.«

Einer solchen Herausforderung habe ich nie widerstehen können. »Na schön, versuchen will ich es.« Antek ging hinaus und schloß mich im Zimmer ein, der Spitzbube!

Gegen zwei Uhr mittags konnte ich die beiden ersten Sätze auswendig und stürzte mich auf den dritten. »Essen ist fertig!« rief Pani Moszkowska. Nach dem stärkenden und heiteren Mahl machte ich mich wieder an die Arbeit. Anteks schlauer Plan bewährte sich. Er wußte geschickt meinen Ehrgeiz und meinen Sportsgeist anzustacheln. Ich genoß es, eingeschlossen und zur Arbeit gezwungen und seiner Herausforderung gewachsen zu sein. Nach zehn Tagen unter Anteks Regime war ich gewiß, daß ich mit Anstand beim Wettbewerb antreten konnte.

Antek kümmerte sich um die Formalitäten, er füllte die Bewerbungsunterlagen (Geburtsdatum, Lebenslauf etc.) aus; und Zosias Vetter, der als Journalist in St. Petersburg lebte, bot mir eine Unterkunft an.

Pola hatte anfangs versucht, mich von diesem riskanten Unternehmen abzubringen, dann aber von meiner Entschlossenheit beeindruckt, stärkte sie mir den Rücken. Mit dem Segen meiner Freunde machte ich mich auf die Reise.



Kapitel 62


Stefan Grostern, Zosias Vetter, hatte ein freundliches, jungenhaftes Gesicht unter blonden Locken und blinzelte kurzsichtig. Auf ,dem Weg vom Bahnhof zu seiner Wohnung gab er mir wichtige Hinweise.

»Ich kenne Ihre Lage, und ich glaube, Sie haben keinen Grund zur Sorge. Ein guter Freund von mir, ein jüdischer Advokat hier in Pctersburg, interessiert sich für Ihren Fall. Wenn Sie in Schwierigkeiten geraten, wird er Sie vertreten - ohne Bezahlung. Er war so wütend auf Stolypin, daß er die Regierung juristisch belangen wollte, doch hätte das keinen Sinn gehabt. Ihren Fall jedoch beurteilt er positiv. «

Später bat er um meinen Paß. »Ich muß ihn dem Hausmeister abgeben, er bringt ihn zur


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