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- 10 - aus: Batya Gur, Das Lied der Könige


»Gut, man könnte sagen, es war auch eine Art von >jemand anderem<, nicht weniger als...« Er wurde für einen Moment still. »Er hat mir gesagt, er geht zu seinem Vater. Ich rief dort an, aber es ging niemand an den Apparat. Ich dachte, er lügt, und machte ihm eine Szene, als er zurückkam. Vielleicht waren sie ja zusammen und haben sich informiert über... Ich hätte mir gewünscht... Wie konnte er mich bloß ausschalten!«

»Vielleicht hat er Geheimhaltung geschworen?« schlug plötzlich Ja'ir von seinem Platz neben der Tür vor.

Michael drehte sich mit einemmal um und heftete einen Blick auf ihn, der ihn zum Schweigen bringen sollte. Er befürchtete, er könnte Isi nun nicht mehr zu einem solch offenen Gespräch animieren.

»Wer?! Wer könnte ihn dazu veranlaßt haben?« begann Isi mit wachsender Kränkung laut zu denken, und plötzlich wurde er still.

»Ja?« Balilatis kleine Augen verengten sich, als er fragte: »Ja? Was wollten Sie sagen?«

»Nur Felix...«, sagte Isi Maschiach mit gesenktem Kopf.

»Nur er hatte diese Macht über Gabi, ihn schwören zu lassen, mir nichts davon zu sagen... Ich kann einfach nicht verstehen, warum. Wozu denn? Gerade mich hätten sie darüber befragen müssen. Es kann doch nicht sein, daß Theo davon wußte und Gabi nicht. Und wenn Theo es wußte, warum hat man es denn mir nicht erzählt? Ich begreife es nicht.«

»Dann sind Sie ein Vivaldi-Experte«, lenkte Balilati ihn zurück auf das Thema. »Wir haben Glück«, sagte er ohne Begeisterung. »Sie waren mitten in Ihren Ausführungen. Sie haben gesagt«, er rollte die Augen zur Decke und sah Isi Maschiach erneut hinter Michaels Schulter an, »Sie sprachen von den Dokumenten. Daß kein Requiem erwähnt wird.«

In einer monotonen Stimme, als ob er nicht richtig bei der Sache wäre, sagte Isi Maschiach: »Die Holländer hatten bessere Druckereien als die Italiener. Es gab damals in Nordeuropa eine große Nachfrage nach italienischer Musik. Am populärsten war Vivaldi in Deutschland. Schon 1711 druckte Etienne Roger, ein holländischer Verleger, was zu den wichtigsten musikalischen Veröffentlichungen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde, ein Werk von Vivaldi, >L'estro armonico< zwölf Konzerte für Solo-Violine, für zwei Violinen und vier Violinen.«

»Sie sind sich also vollkommen sicher, daß das Vivaldi ist?« vergewisserte sich Michael.

»Ich bin mir ziemlich sicher. Selbst wenn es nicht seine Handschrift ist, ist es mit Sicherheit ein Exemplar für ein Stück, das ein Kopist für ihn vorbereitet hatte. Es kann kein Imitat sein. Kein Mensch in Venedig hätte es sich erlaubt, in einer öffentlichen Zeremonie etwas aufzuführen, das so typisch für Vivaldi ist. Mit dem Sanctus, das er aus seinem Gloria übernahm. Und auch der Stil... Ich wünschte, ich wäre mir nicht so sicher. Ich wünschte, es wäre kein Vivaldi... Wie kann es nur sein, daß er kein einziges Wort...


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