- 38 -epOs Verlag Osnabrück - epOs-Music - Humor in der Musik - Geschichten, Essays, Satiren 
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- 5 - Herbert Rosendorfer, Die Karriere des Waldweibel-Hostelli


vor seinem Konzert, - so stark unter Schlaflosigkeit,  Lärmhalluzinationen  und Gleichgewichtsstörungen, daß er kaum noch aufrecht zu gehen vermochte.Zwei Tage vor dem Konzert bekam Sagasser unerwartet einen hohen Besuch. Der Musikkritiker Kurt Hubert Krappel war gehalten (aus einem Grunde, der im für Außenstehende nur schwer zu durchschauenden Geflecht von Protektion und Rücksichtnahmen lag), das Konzert Sagassers zu rezensieren. Krappel war selbstverständlich viel beschäftigt und hatte am Abend des Konzertes keine Zeit. An und für sich hätte er nicht angestanden, das Konzert zu besprechen, ohne es besucht zu haben. Kurz zuvor aber war er damit hereingefallen: er hatte infolge einer unvorhergesehenen Programmänderung die >Waldstein<-Sonate  anstelle der >Appassionata< rezensiert und mußte sich seitdem gefallen lassen, daß man ihm nachsagte, er könne Dur und Moll nicht unterscheiden. So suchte Krappel den Künstler vor dem Konzert auf und wollte ihn auf Ehre und Gewissen über das Programm befragen, um nicht wieder eine unpassende Passage aus seinem Konzertführer abzuschreiben. (Es handelte sich dabei um einen sehr alten Konzertführer, den kaum noch jemand kannte, schon weil man große Teile der Auflage 1945 eingestampft hatte; im großen und ganzen aber war er für Krappel durchaus noch brauchbar, wenn er jeweils die Wörter >jüdisch-dekadent< durch >feinsinnig< ersetzte; dafür, daß Krappel manchmal beim Abschreiben die Seiten verwechselte, kann der alte Konzertführer schwerlich verantwortlich gemacht werden.)

Sagasser war vor Schreck und Ehrerbietung zu Stein erstarrt, als Krappel bei ihm eintrat. Sagasser erbot sich, unverzüglich sein ganzes Programm dem Kritiker vorzuspielen, der Kritiker winkte zwar dankend ab, aber Sagasser hatte sich schon ans Klavier gesetzt, die ersten Akkorde angeschlagen - er hatte in der Fülle seines Glücks ganz seinen satanischen Nachbarn vergessen, der auch diesmal unverzüglich seine ausgefeilte Lärmorgie entfaltete.

Sagasser spielte mit dumpfer Verbissenheit seinen Sonatensatz herunter. Krappel saß festgebannt auf

seinem Stuhl.

>Eine Offenbarung<, sagte Krappel, als Sagasser geendet und auch der Lärm nebenan aufgehört hatte.



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