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- 6 - Herbert Rosendorfer, Die Karriere des Waldweibel-Hostelli


>Wirklich?< sagte Sagasser und war nahe daran, vor Krappel in die Knie zu stürzen und ihm die Hand zu küssen.

>Wer ist das Genie?< murmelte Krappel und eilte an dem verdutzten Pianisten vorbei zur Nachbarwohnung. Der Rest ist bald erzählt. Schon am nächsten >Internationalen Fest für Neue Musik< trat Waldweibel mit seinen >Sadismen für Schlagzeug< auf und erntete das Lob aller Kritiker. Ein neuer Meister war entdeckt. Der Erfolg, wie es so heißt, wich hinfort nicht mehr von Waldweibels Seite.


Anfangs allerdings konnte sich Waldweibel nur schwer in die Rolle des Komponisten finden, nicht weil er unmusikalisch war, sondern weil er fühlte, daß er seiner eigentlichen Berufung, der zum lyrischen Dichter, ferner war als zu den unseligen Zeiten in der stickigen Firma Dr. Harland & Dr. Filchner.

Die Anstrengungen seines Entdeckers, der an den Tantiemen partizipierte, die Tantiemen selber und endlich die Gewöhnung an den Erfolg heilten die unglückliche Liebe Waldweibels zur lyrischen Dichtung. Waldweibel erkannte sogar, daß seine bescheidenen literarischen Einfälle (die wohl nie ausgereicht hätten, ihm Ruhm als Dichter zu verschaffen) von unschätzbarem Wert für seine Kompositionen waren: er erfand Titel, die ihm den glühenden Neid seiner neuen Kollegen eintrugen. So erfand er vor einigen Jahren spezielle Posaunen, an deren Züge er kleine Häkchen löten ließ. Für diese Instrumente verfaßte er: >Trepanationen für sechzehn vollbärtige Posaunisten zur Demonstration des natürlichen Kontrapunktes<. Beim Blasen sollten sich die Häkchen in den Vollbärten der Bläser widerhakengleich verfangen; da die Posaunisten gehalten sind, weiterzublasen, reißt es dann natürlich an ihren Barthaaren, so daß sie - die Posaunisten - kurz ihre Instrumente absetzen und Schreie ausstoßen. Je tiefer die Posaunisten blasen, desto stärker reißt es an ihren Bärten, desto höher werden damit die Schreie. Das ist, erklärte Waldweibel im >Melos<, der natürliche Kontrapunkt.

Da das Werk 1959 beendet wurde, widmete es Waldweibel dem Land Tirol (wo anders wären noch sechzehn vollbärtige Posaunisten aufzutreiben!) zur 150. Jahresfeier des Aufstandes von 1809 und gab ihm den zusätzlichen Untertitel >Berg-Isel-Cha-cha-cha<. (Wahrscheinlich fiel Waldweibel dem leider verbreiteten und durch nichts als die gemeinsame  Bärtigkeit  gerechtfertigten  Irrtum, der



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