- 44 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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Die Grenze von 3 Sekunden bezieht sich auf die allgemeine geistige Verarbeitungskapazität, während die speziellen Verhältnisse in der auditiven Wahrnehmung etwas differenzierter betrachtet werden müssen. Der sogenannte kurze Speicher im auditiven sensorischen Gedächtnis hat eine Länge von ca. 300 ms, während der lange Speicher eine Länge von mehreren Sekunden hat.41 Auf dieser Ebene des Gedächtnisses gibt es einen Unterschied zwischen der rhythmischen Komponente und Tonhöhen. Tonhöhen bleiben bis zu 10 Sekunden im Gedächtnis erhalten, während rhythmische Informationen deutlich schneller zerfallen.42

Mit der Dauer des sensorischen Gedächtnisses hängt die Fähigkeit zur zeitlichen Integration von Ereignissen zusammen und damit auch die Fähigkeit, rhythmische Gruppen zu bilden. In verschiedenen Experimenten sind die zeitlichen Größenordnungen bestimmt worden. So läßt die Genauigkeit der Schätzung von Dauern zwischen 1 und 2 Sekunden deutlich nach.43

43 Wundt (1903, S. 26).

Die Synchronisation von Fingerklopfen mit einem Metronom verschlechtert sich deutlich ab einem Abstand von 1,5 bis 2 Sekunden zwischen den Schlägen.44 Dann erfolgt das Klopfen entweder nach ca. 2 Sekunden oder als Reaktion nach dem Schlag, während es bei funktionierender Synchronisation kurz vor dem Schlag ausgeführt wird.45 Auch die obere Grenze von Ereignisabständen, bei denen noch subjektive Rhythmisierung auftritt, liegt deutlich unterhalb von 2 Sekunden.46

Die untere Grenze der Dauer einer perzeptuellen Gruppe von Ereignissen ist weniger klar bestimmt. Ein Indiz könnte sein, daß Silben in allen bekannten Sprachen eine Dauer von ca. 200–250 ms haben.47

Silben sind wichtige Einheiten der auditiven Wahrnehmung, da sie die Basis sprachlicher Kommunikation bilden. Eine Gruppe enthält bei kurzen Ereignisabständen mindestens zwei Elemente. Daher müssen Gruppen von Ereignissen, wie Worte aus zwei Silben, eine Dauer von 400–500 ms haben. Weiterhin scheint die Verarbeitung von zeitlichen Abständen unterhalb von ca. 0,5 Sekunden nicht mehr der kognitiven Steuerung zu unterliegen, sondern allein durch automatische, sog. primitive Wahrnehmungsprozesse gesteuert zu sein.48

48 Bregman (1990, S. 410).

Auch metrische Einheiten werden unterhalb von 200 ms kaum wahrgenommen.49 Da aber Metrum und Gruppierung einer willentlichen Beeinflussung durchaus zugänglich sind,50

50 Vgl. Pöppel (1997, S. 805).

kann man annehmen, daß es hier bezüglich der Dauer eine Grenze in der Verarbeitung von Gruppen gibt. Die üblichen Dauern von Motiven liegen in der Musik über dieser Grenze, obwohl die sensorischen Fähigkeiten des Gehörs kürzere Gruppen ermöglichen würden. Bei einem Auflösungsvermögen von 10 Ereignissen pro Sekunde und einer Mindestlänge von 2 Elementen, wie sie etwa von der GTTM und anderen Segmentierungstheorien angenommen wird,51

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