Die motivische Struktur einer Melodie wird im allgemeinen durch die Angabe von
Gleichheits- oder Ähnlichkeitsbeziehungen der Motive beschrieben. Themen werden nach
der Anordnung dieser Ähnlichkeitsbeziehungen eingeteilt in Fortspinnungs-, Lied- und
Entwicklungstyp.58
Neben Ähnlichkeit können andere Faktoren eine Rolle spielen. So können Motive
zueinander kontrastieren, können außermusikalische Bezüge aufweisen oder als Zitat
aus anderen Stücken bekannt sein. Kontrast läßt sich als das Gegenteil von
Ähnlichkeit definieren, kann aber auch als eine davon unabhängige Größe gesehen
werden.
Die Beziehungen von Motiven wurden in der Musiktheorie kaum systematisch untersucht. Eine Theorie speziell der zeitlichen Motivbeziehungen stellt Eugene Narmours Modell der Implikation und Realisation dar.59 Dieses Modell ist allerdings nicht formal definiert, sondern wie die meisten Musiktheorien vor allem anhand von Beispielen dargestellt.Die übliche Form der Notation motivischer Strukturen verwendet Buchstaben für die Bezeichnung der Motive, wobei gleiche Buchstaben für gleiche Motive (bis auf zeitliche Position) und Buchstaben mit einem ›’‹ für ähnliche Motive stehen, wie in Abbildung 2.2 beispielhaft dargestellt ist. Auf diesem Ansatz beruht die paradigmatische Analyse.60 Sie beschreibt die Zuordnung von Motiven zu einem Paradigma, d.h. einem ersten Vertreter seiner Motivklasse. Wenn ein Motiv zum ersten mal erscheint, wird es einem bereits bestehenden Paradigma zugeordnet, oder es definiert selbst ein neues Paradigma.2.4. Musiktheoretische SystemeVon den wichtigsten Vertretern der traditionellen Musiktheorie haben Moritz Hauptmann und Hugo Riemann der Metrik und Rhythmik eigene Werke gewidmet. Heinrich Schenker beschäftigte sich dagegen weniger intensiv mit rhythmischen Fragen, denn sie sind in seinen Analysen von geringerer Bedeutung. Während Hauptmanns Ansatz sich in der Praxis nicht durchgesetzt hat, sind die Theorien Riemanns und Schenkers noch in Gebrauch. Einige neuere Ansätze der Musiktheorie, die als kognitive Modelle konzipiert sind, werden in Kapitel 4 behandelt.
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