Ist in diesem Beispiel durch Fortspinnung noch ein Zusammenhang

zwischen erster und zweiter 4-Takt-Gruppe gegeben, den man als

"organisch" empfinden kann, so fallen im nächsten Beispiel die beiden

Hälften der symmetrischen 8-Takt-Gruppe regelrecht auseinander: Die 4

Takte des Elsa-Motivs werden im Nachsatz nicht durch Wiederholung oder

Entwicklung, sondern durch Rückgriff auf die vorausgegangene, zwar

ähnliche, aber eben doch anders geartete 4-Takt-Gruppe zur 8-Takt-Gruppe

ergänzt: 22)

Beispiel 2: Lohengrin, 1. Akt, 2. Szene

Im Kontext einer vorherrschenden aus 2-, 4- und 8-Takt-Gruppen zusammengefügten Form wirken solche Perioden der Tendenz nach erzwungen und mechanisch.

Die abstrakte Zeitordnung und mit ihr die Entwicklungslosigkeit aber grundsätzlich als eine Deformation zu deuten, die durch eine Verdinglichung ursprünglich erfüllter Zeit entstanden sei, ist fragwürdig, und zwar zumindest dort, wo sie als musikdramatische Funktion der Handlung einen inhaltlichen Sinn bekommt. Dazu einige Beispiele: Die stationären Klangflächen etwa im Ring des Nibelungen sind, wie im Rheingold-Vorspiel oder im "Waldweben" des Siegfried, eng mit der Vorstellung unwandelbarer Natur oder mit Naturstimmung verbunden. 23) Ebenfalls inhaltlich akzentuiert ist die Tendenz zu zeitlichem Stillstand auch im Parsifal: Das Abreißen oder Innehalten von Bewegung insbesondere durch Generalpausen oder Fermaten läßt sich hier begreifen als notwendiges Moment einer Kulthandlung,

genauer gesagt: einer Kulthandlung, die vergangenes Heilsgeschehen einer geschichtlichen Erinnerung abgewinnen und in einer zeitlosen Gegenwärtigkeit aktualisieren will. 24)