- 153 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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mehr im uferlosen, sondern in dem aufs wesenhafte Sein bezogenen Sinn', 27) d.h. Geschichte wird gezeichnet als Geschehenes und nicht als Geschehen. Die Vertiefung in historische Perspektiven kennt keine Grenzen und gibt der Idee das Totale. "Deren Bau ist monadologisch. Die Idee ist Monade. Das Sein, das da mit Vor- und Nachgeschichte in sie eingeht, gibt in der eigenen verborgen die verkürzte und verdunkelte Figur der übrigen Ideenwelt, so wie bei den Monaden der `Metaphysischen Abhandlung' von 1686 in einer jeweils alle anderen undeutlich mitgegeben sind. Die Idee ist Monade - in ihr ruht prästabiliert die Repräsentation der Phänomene als in deren objektiver Interpretation. Je höher geordnet die Ideen desto vollkommener die in ihnen gesetzte Repräsentation. Und so könnte denn wohl die reale Welt in dem Sinne Aufgabe sein, daß es gelte, derart tief in alles Wirkliche zu dringen, daß eine objektive Interpretation der Welt sich drin erschlösse. Von einer Aufgabe einer derartigen Versenkung aus betrachtet erscheint es nicht rätselhaft, daß der Denker der Monadologie der Begründer der Infinitesimalrechnung war. Die Idee ist Monade - das heißt in Kürze: jede Idee enthält das Bild der Welt. Ihrer Darstellung ist zur Aufgabe nichts Geringeres gesetzt, als dieses Bild der Welt in seiner Verkürzung zu zeichnen ." 28)


Adorno hat den Begriff der Monade übernommen. Er identifiziert mit ihm das Kunstwerk, das Gesellschaftliches widerspiegelt, sich aber von der Gesellschaft distanziert. Er stimmt mit Benjamin in der Begrifflichkeit insofern überein, als die Vorstellung des isolierten Kunstwerks kongruiert. Unterschiedlich sind ihre Auffassungen des Dialekt-Begriffs: Benjamins stillgelegter Dialektik steht die dynamische Adornos gegenüber. Trotzdem rückt Adorno in bezug auf die radikale Neue Musik von seiner Theorie von der Dynamisierung der Dialektik ab. Kritik der Kunst am Zerbrechen von Subjekt und Objekt in gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen, die geschichtliches Kontinuum unterbrechen, ist nur möglich durch Stillegen der Geschichte in den Kunstwerken. Damit wird `Verblendung der Geschichte durch die Verdoppelung der Herrschaft in der Kulturindustrie und durch das Vergessen ihres Ursprungs' in den Kunstwerken festgehalten. Das Kunstwerk vermittelt - das ist der Tenor der Philosophie der Neuen Musik - die negative geschichtlich-gesellschaftliche Wahrheit. "Denn das Dunkle" (Hegel verstand darunter dasjenige, was im Kunstwerk noch nicht erschlossen war), schreibt Adorno in der Ph.d.N.M., "welches in immer erneuten Ansätzen vom Fortschritt des Geistes bezwungen wird, hat vermöge des Drucks, den der herrschaftliche Geist über die inner- und außermenschliche Natur ausübt, zugleich in veränderter Gestalt bis heute stets sich wiederhergestellt. Das Dunkle ist nicht das reine An-und -für-Sich-sein, als welches es an Stelle wie jener der Hegelschen Ästhetik erscheint, sondern auf die Kunst ist die Phänomenologie des Geistes anzuwenden, derzufolge alle Unmittelbarkeit ein in sich bereits Vermitteltes ist. Mit anderen Worten: ein von Herrschaft erst Produziertes. Wenn der Kunst die unmittelbare Selbstgewißheit unbefragt hingenommener Stoffe und Formen zergangen ist, dann ist im `Bewußtsein von Nöthen', im grenzenlosen Leid, das über die Menschen hereinbrach, und in dessen Spuren im Subjekt selber ein Dunkles zugewachsen, das nicht als Episode die vollendete Aufklärung unterbricht, sondern ihre jüngste Phase übrschattet und freilich durch seine reale Gewalt die Darstellung


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