- 151 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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sondern auch die der Essenzen ist, insoweit sie reell sind. Denn der Verstand Gottes ist die Region der ewigen Wahrheiten oder der Ideen, von denen sie abhängen; ohne ihn würde es nichts Reelles in den Möglichkeiten geben: nicht allein nichts Existierendes, sondern nicht einmal etwas Mögliches. 19) "Somit ist Gott allein die Ur-Einheit oder die Ur-Monade. Alle geschaffenen oder abgeleiteten Monaden sind seine Erzeugungen und entstehen sozusagen durch beständige Aufblitzungen der Gottheit von Augenblick zu Augenblick - beschränkt durch die Aufnahmefähigkeit des Geschöpfs, dem es wesentlich ist, begrenzt zu sein." "In Gott ist die Macht, welche die Quelle von allem ist; sodann die Erkenntnis, welche die Mannigfaltigkeiten der Ideen enthält; schließlich der Wille, welcher die Veränderungen oder Erzeugungen gemäß dem Prinzip des Besten ins Werk setzt. In den geschaffenen Monaden entsprechen diese Attribute dem individuellen Kern oder Fundament, dem Perzeptionsvermögen und dem Begehrungsvermögen. Aber in Gott sind diese Attribute vollkommen, während sie in den geschaffenen Monaden oder Entelechien nur mehr oder weniger gelungene Nachahmungen davon sind, je nach dem Grad ihrer Vollkommenheit." 20)


Leibniz, der Meister metaphysischer Spekulation, wird nun abgelöst von Goethes naturwissenschaftlichen Studien, die ihn ebenfalls zu der Annahme führen, daß hinter der Vielfalt pflanzlicher Erscheinungen ein Ursprung zu vermuten sei; eine Gestalt, ein Organ, das sich durch ständige Modifikation darstelle. In der Einleitung zur Metamorphose schreibt Goethe: "Ein jeder, der das Wachstum der Pflanzen nur einigermaßen beobachtet, wird leicht bemerken, daß gewisse äußere Teile derselben sich manchmal verwandeln und in die Gestalt der nächstliegenden Teile bald ganz, bald mehr oder weniger übergehen." 21) Aus seinen Beobachtungen eines einjährigen Pflanzenwachstums schließt Goethe dann, daß alle Organe der Pflanzen sich aus den Cotelydonen, das sind die Samenklappen der Samenblätter, entwickeln. Zunächst bilden sich die Stengelblätter aus (dieses durch Wachstum von `Knoten zu Knoten'). An jedem Knoten eines Stengels entsteht wiederum ein neues Blatt usw.; das Wachstum dieser Blätter geschieht durch Anastomose, d.h. dadurch, daß sich zwischen den Rippen eines Blattes eine Haut bildet, sodaß ein Flächengebilde entsteht (Goethe wies z.B. nach, daß Wasserpflanzen z.T. diese Anastomose nicht ausführen - fadenförmige Gebilde). Die nächste Wachstumsphase wäre die Ausbildung des Blütenstandes und des Kelches. Während für die Ausbildung des Blütenstandes die Stengelblätter sich an der Peripherie zusammenziehen und am Schnittpunkt mit dem Stengel ausdehnen, entfaltet sich der Kelch vom letzten Stengel des Knotens aus, wo das letzte Blatt sich verlängert und mehrere weitere Blätter um sich herum entstehen läßt. Die Bildung der Krone, der Staubwerkzeuge und der Nektarien (Nebenkronen) geschieht auf die gleiche Weise durch Anastomose (Zusammenziehen) oder Ausdehnen der jeweils schon existierenden Organe. Selbst die Zeugung neuer Pflanzen vollzieht sich - so Goethe - unter dem Gesetz der Anastomose. Die Bildung der Frucht (nach der Ausgestaltung des Griffels) ist wiederum eine Angelegenheit der Ausdehnung. "Vom Samen bis zur höchsten Entwicklung des Stengelblattes" schreibt Goethe, "bemerken wir zuerst eine Ausdehnung, darauf sahen wir durch eine Zusammenziehung den Kelch entstehen, die Blumenblätter durch eine Ausdehnung, die Geschlechtsteile abermals durch eine Zusammenziehung; und wir werden nun bald die


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