- 412 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Intervalle kontrapunktisch wirksam sind. Die dadurch hervorgerufene motorische Kraft verleiht der Melodie eine dramatisch anmutende Steigerung, die aber keinen beruhigenden Schluß erreicht. Dabei folgen die ansteigenden Spitzentöne immer rascher aufeinander (vgl. Abbildung 13.6).37
37 Schubert 1989, S. 50.



Abbildung 13.6: F. Schubert: Streichquartett d-Moll (D 810) Der Tod und das Mädchen, I. Satz Allegro


Die deklamatorische Geste sowie die gleichbleibende Diastematik der Takte 1 bis 7 erinnern an das Vorspiel und die Todstrophe des Liedes. Die chromatische Linie und das accompagnato in Gestalt der Triolen (ab Takt 15) beziehen sich hingegen direkt auf die Mädchenstrophe, die sich ebenso durch Chromatik und eine kraftvolle Rhythmik auszeichnet. So gesehen könnten die Takte 1 bis 14 ebenso als dramatisches Vorspiel für den Einsatz der »Stimme« gelten.38

38 Wolff 1982, S. 162.
Der über eine Oktave abwärts führende chromatische Baßabstieg (»Lamentobaß«), der von einem verminderten Septakkord ausgeht, leitet über zur Modulation zum Seitensatz (ab Takt 41). Das Seitenthema (ab Takt 61) in F-Dur bringt durch seinen Dur-Charakter zwar lichte Momente der Tröstung und Zuversicht39
39 Werner-Jensen 1990, S. 546.
, es wirkt jedoch ähnlich wie der Hauptsatz ebenso beunruhigend, da es keine harmonische Geschlossenheit bietet. Im Gegenteil: es beginnt eine längere Odyssee durch verschiedene Tonarten von F-Dur über A-Dur (ab Takt 102) bis hin zu a-Moll (Takt 134 bis 140). Mit seinen modulierenden Sequenzen, harmonischen Rückungen und abrupten Stimmungswechseln trägt das Seitenthema durchführungsartige Züge (vgl. Abbildung 13.7).40
40 Schubert 1989, S. 53/55.



Abbildung 13.7: F. Schubert: Streichquartett d-Moll (D 810) Der Tod und das Mädchen, I. Satz Allegro, Seitenthema


Der Septakkord ist auch im weiteren Verlauf genau disponiert und erweist sich somit als zentrales Steuerungsmittel.41

41 Hinrichsen 1997, S. 491.
Damit die Spannung der eigentlichen Durchführung (Takt 141–197) nicht vorweggenommen wird, entwickelt Schubert hier eine komplexe Satztechnik mit Überlagerungen verschiedener Rhythmen, wobei die Kombination von Hauptsatz- und Seitensatz eine motivische Dichte ergibt. Nach einer groß angelegten Steigerung setzt über dem Dominant-Orgelpunkt des punktierten a die Reprise (Takt 198–298) ein, die den Ablauf der Exposition nochmals in groben Zügen nachvollzieht, ihn jedoch harmonisch neu färbt. Das zweite Thema wird entgegen der Gewohnheit nicht zur Moll-Tonika umgebogen, sondern behält

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