- 407 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Schönheit spricht. Dem Zeitlassen des Mädchens entspricht hier Zeithaben des Todes. In Anlehnung an die antike Vorstellung porträtiert Claudius den Tod eher als Bruder des Schlafes, als »Freund Hain«. Diesen hat er auch als Kupferstich dem ersten Band seiner Sammlung aus dem Jahre 1775 vorangestellt.14
14 Raab 1997, S. 157.
Der Tod ist nicht als wilde Strafe dargestellt, sondern wird als sanfter Bote aus der Götterwelt geschildert, der nicht als plötzlicher Schrecken kommt, sondern mit tiefernster Trostgebärde das Mädchen in seinen Armen in den Schlaf wiegt, um ihr jenen »ewigen Frieden« zu geben. Diese antike Auffassung des Todes war Claudius nicht unbekannt, doch für ihn selbst, so Claudius, sei die alte Vorstellung vertrauter, er sei bei seinem Kupferstich »doch lieber beim Knochenmann geblieben«15
15 Matthias Claudius 1775, zit. n. Raab 1997, S. 157.
. Dieses Bild habe für ihn etwas Tröstliches und Freundliches: »Er ist auch so, dünkt mich, recht schön, und wenn man ihn lange ansieht, wird er zuletzt ganz freundlich aussehen.«16
16 Claudius 1775, zit. n. Raab 1997, S. 157.
Mit dieser positiven Auffassung vom Tod lehnt er sich an die Gedanken Lessings (Wie die Alten den Tod gebildet, 1769) und Herders an. In ihren Essays vergleichen sie die antike klassisch griechische Todesvorstellung des schönen Jünglings, des Genius, mit dem mittelalterlichen Bild des abstoßenden Furchtgerippes. Sie unterscheiden zwischen dem Tod als Strafe, ihrer Meinung nach ein abergläubisches Mißverständnis in der Religion, und dem Konzept des sanften und tröstenden Todes als Symbol des Schlafes, das ihnen im Zeitalter der Aufklärung angemessener erschien.17
17 Wolff 1982, S. 145.

Schuberts Vertonung erfaßt die dramatische Anlage des Gedichts in der Gestaltungsweise einer Opernszene, so faßt Raab zusammen. Das achttaktige Vorspiel stellt die Tonart d-Moll in tiefer Lage im akkordischen Satz vor (vgl. Abbildung 13.2).18

18 Franz Schubert: Der Tod und das Mädchen op. 7,3 (D 531), vorgelegt von Walther Dürr (= Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie IV: Lieder, Bd. 1, Teil a). Kassel/Basel/London u.a. 1970, S. 66.



Abbildung 13.2: F. Schubert: Der Tod und das Mädchen op. 7,3, Vorspiel


Die Mädchenstrophe ist als dramatisches recitativo accompagnato komponiert. Dabei folgt Schubert der Metrik des Gedichts, indem das Mädchen erregt spricht. In ihrer Strophe herrscht angsterfüllte Atemlosigkeit vor, das Singen ist von Pausen unterbrochen (vgl. Abbildung 13.3).19

19 Schubert 1970, S. 66.



Abbildung 13.3: F. Schubert: Der Tod und das Mädchen op. 7,3, Mädchenstrophe



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