dem »Spätwerk« des Komponisten zuzuordnen, obwohl es im Grunde vermessen wirkt,
eine Zeitspanne von gerade einmal drei Jahrzehnten in Schaffensperioden einteilen zu wollen.
Dennoch ist dieser letzte Lebensabschnitt des Komponisten durch die Vorrangstellung der
Instrumental- und Kammermusik gekennzeichnet, was eine solche Periodisierung rechtfertigen
würde.10
10 Ernst Hilmar: Franz Schubert. Reinbek 1997, S. 78.
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Vor allem die gegenseitige Beleuchtung des gleichnamigen Liedes von
Schubert (D 531) und des Quartetts dürfte zur Hochschätzung beider Werke in
der Rezeption beigetragen haben, so vermutet Raab. Schubert verwendet das
Lied für das Thema des Variationensatzes seines Streichquartetts. In diesem
Zusammenhang sei auf den grundlegenden ausführlichen Aufsatz von Christoph
Wolff11
11 Christoph Wolff: »Schubert’s Der Tod und das Mädchen: analytical and explanatory
notes on the song D 531 and the quartet D 810.« In: Eva Badura-Skoda/Peter
Branscombe (Hrsg.): Schubert Studies. Problems of style and chronology. Cambridge
1982, S. 143–171.
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verwiesen, der einen Zusammenhang herstellt zwischen dem Lied und dem gleichnamigen
Quartett. Dessen Ausführungen werden auch hier mehrfach einfließen. Raab betont
besonders die Vermischung des Sujets des Liedes mit der semantischen Konnotationen
der Tonart d-Moll des Quartetts sowie der Biographie Schuberts. Zwar ist der
Ansatz, neben der rein musikalischen Analyse von der Musik auf Befindlichkeiten
Schuberts bei der Komposition zu schließen, umstritten und wird oft als »zu
subjektiv« abgelehnt, doch darf gerade die Entstehung des Werkes bei unserer
Frage nicht außen vor gelassen werden. Insofern seien an dieser Stelle kurz
das Lied Der Tod und das Mädchen sowie der Text von Matthias Claudius
skizziert.
Neben Goethe, Hölty, Matthisson, Schiller und anderen gehört Matthias
Claudius (1740–1815) zu den wichtigsten Dichtern, deren Werke Schubert in
seinen Liedern in den Jahren 1815 bis 1817 vertont hat. In vierzehn Liedern
hat er Claudius’ Werke bearbeitet. Das Gedicht Der Tod und das Mädchen
publizierte Claudius zusammen mit anderen Werken in einer Sammlung unter dem
lateinisch-deutschen Titel Asmus omnia sua secum portans, oder Sämmtliche Werke
des Wandsbecker Bothen, die in acht Bänden in der Zeit von 1775 bis 1812
erschien.12
12 Wolff 1982, S. 143–144.
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Schuberts Lied Der Tod und das Mädchen entstand im Februar 1817 (op. 7/3). Das
Gedicht stellt einen imaginären Dialog zwischen einem jungen Mädchen und dem
herannahenden Tod dar:
Das Mädchen |
Der Tod |
Vorüber! Ach, vorüber! |
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! |
Geh, wilder Knochenmann! |
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen. |
Ich bin noch jung, geh, Lieber! |
Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild, |
Und rühre mich nicht an. |
Sollst sanft in meinen Armen schlafen!13
13Matthias Claudius, zit. n. Eduard Gronau: Franz Schubert. Musik zwischen Himmel und
Abgrund. Eine Werkbiographie. Allensbach 1993, S. 97.
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Claudius stellt hier zwei kontrastierende Todesauffassungen gegenüber. Das
Mädchen sieht den Tod als schrecklichen Sensenmann, als Gerippe gemäß der
christlich-mittelalterlichen Vorstellung. Sie gerät in Panik und bittet ihn
resignierend, ihr noch Lebenszeit zu lassen. Der Tod hingegen wird durchweg
positiv dargestellt. Er tritt ihr besänftigend und beruhigend gegenüber, indem er
von ihrer
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