der synkopische unebene Takt ist bedeutsam, denn der Tenor, der
nach diesem Marschvorspiel den heroischen Appell vorträgt, läßt sich auf dieses
beharrlich groteske Zerrbild des Freudenhymnus nicht ein. Vielmehr erhebt er
sich darüber. Sein Appell wirkt wie ein vokaler Kontrapunkt zu der grotesken
Transformation des Freudenhymnus durch das Orchester, denn er respektiert das
Taktmaß, das die freche Kriegsmusik so beharrlich mißachtet (vgl. Abbildung
11.22).131
Der Tenor intoniert den vierten Chorus der Ode Schillers:
»Froh, wie seine Sonnen fliegen durch des Himmels prächt’gen Plan,
Ein dreistimmiger »Kriegerchor« stimmt am Ende in Takt 81 in den Gesang des Solisten ein auf den Worten »laufet, Brüder eure Bahn, freudig, wie ein Held zum Siegen«, was zweimal wiederholt wird (Takt 89 bis 101). Seidel vermutet in dieser bizarren Gegenüberstellung des türkischen Marsches mit dem Tenorsolo und dessen Choranhang auch eine bestimmte Intention Beethovens: wenn man diese Struktur der Komposition ernst nimmt, dann dürfe man die bizarre Kriegsmusik nicht zur Musik des Helden (Tenor) und seines Anhangs (Chor) erklären, sondern man müsse darin die Musik von Barbaren hören, die den neuen Freudenhymnus und die Gesellschaft, die er repräsentiert, verhöhnen.132 Eine Notiz Beethovens scheint diese Interpretation zu unterstützen. Sie findet sich zwischen den Skizzen des Finales: »türkische Musik in Wer das nie gekonnt, stehle – [. . . ].«133 Die türkische Musik ist somit ein Verweis auf die bereits im vorhergehenden Teil zitierte Zeile: »Und wer’s nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund.« Damit repräsentiert der türkische Marsch die feindliche Gesinnung, welcher der Tenor auch rhythmisch |