- 35 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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oder »Incidental Music« als eine Kategorie der Bild-Musik-Zuordnung benutzt, ohne sich der überlieferten Definition des Begriffes aus dem Bereich des Theaters bewußt zu sein. Zudem sind die Begriffe »Aktuelle Musik« und »Musik als Bestandteil der Umgebung« identisch, eine Unterscheidung in zwei Kategorien ist daher hinfällig.19
19 Douglas W. Gallez: »Theories of Film Music.« Cinema Journal 9 (1970) 44.

Lissas eigene Systematisierung fällt ebenso kleinschrittig aus, da sie sich auf die Elemente der auditiven Schicht – Musik, Geräusche, Rede und Stille, sowie auf diejenigen der visuellen Element beruft – Ansichten, dargestellte Gegenstände, Handlung und psychische Elemente. Nach ihrer Theorie kann jedes der Elemente der auditiven Schicht jedem Element der visuellen Sphäre zugeordnet werden.20

20 Lissa 1965, S. 112.
Innerhalb dieser Verbindungsmöglichkeiten hebt sie besonders folgende Zuordnungen hervor, die – wie in Ansätzen bei Spottiswoode und Joffe – bereits in den Bereich der formalen und inhaltlich definierten Funktionen von Musik im Film hineingehen, beispielsweise Musik als Unterstreichung von Bewegungen, die musikalische Stilisierung realer Geräusche, Musik als Repräsentation des dargestellten Raumes sowie der dargestellten Zeit.

Grundformen der Bild-Musik-Zuordnung umschrieb Hansjörg Pauli in den siebziger Jahren. Danach unterteilte er die Beziehung zwischen Filmmusik und Bildinhalt im Gegensatz zu Lissa lediglich nach drei formalen Typen: die Paraphrasierung, die Polarisierung sowie die Kontrapunktierung. Als paraphrasierend stuft er eine Musik ein, deren Charakter sich direkt aus dem Charakter der Bilder, aus den Bildinhalten, ableitet. Als solcher ist er eindeutig und stimmt mit den Bildinhalten überein. Es handelt sich also mehr oder weniger um eine Verdoppelung des Bildes durch die Musik, die ihrerseits die Wirkung des Bildes verstärkt. Polarisierend ist eine Musik, wenn sie kraft ihres eindeutigen Charakters inhaltlich neutrale oder mehrdeutige, ambivalente Bilder emotional einfärbt, in eine bestimmte Ausdrucksrichtung schiebt, die der eindeutige Charakter der Musik ihnen vorgibt. Kontrapunktierend ist eine Musik, deren eindeutiger Charakter dem ebenfalls eindeutigen Charakter der Bilder, also den ebenso deutlichen Bildinhalten widerspricht.21

21 Hansjörg Pauli: »Filmmusik.« In: Carl Dahlhaus (Hrsg.): Funkkolleg Musik, Bd. 2. Frankfurt am Main 1981a, S. 35; auch zit. in: Hans-Christian Schmidt: »Musik als musikalische Einflußgröße bei der filmischen Wahrnehmung.« In: Hans-Christian Schmidt (Hrsg.): Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen. Perspektiven und Materialien. Mainz 1976a, S. 126.
Durch die widersprüchlichen Stimmungsgehalte wird die Wirkungseinheit von Bild und Musik aufgebrochen; es entsteht zwischen beiden Ebenen ein konstruiertes Spannungsverhältnis, das der Zuschauer als Bruch der beiden Schichten verstehen soll, vergleichbar mit den Verfremdungseffekten in Brechts epischem Theater. In der Filmgeschichte finden sich besonders häufig Belege für die Paraphrasierung und die polarisierende Musik. Behne hat sich in seinen Aufsätzen zum visuellen und kreativen Umgang mit Musik mehrfach an Paulis Begriffe angelehnt und sie in Form von idealtypischen »fiktiven Profilen« (vgl. Abbildung 2.1) optisch dargestellt.



Abbildung 2.1: Grundformen der Bild-Musik-Zuordnung nach Hansjörg Pauli


Die Paraphrasierung arbeitet mit ähnlichen Profilen, bei der Kontrapunktierung verlaufen die Profile gegensätzlich; bei der Polarisierung ist die Komponente Film indifferent und tendiert zur neutralen Mitte, während die Musik durch ihren


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