weniger ein in ein sinfonisches Gefüge eingeflochtener Satz als
vielmehr ein Lied, so hat er insofern Recht, als daß Mahler sich bei seinem ersten Thema
ganz offensichtlich an dem Eröffnungsmotiv (Motiv I) aus dem Rückert-Lied
»Ich bin der Welt abhanden gekommen« (1901) orientiert hat (vgl. Abbildung
11.2).158
Insofern hat Mahler trotz der rein instrumentalen Anlage der Sinfonie seinen Liedsatz in das Werk geschmuggelt, ein »Lied ohne Worte«.159 Das Eröffnungsmotiv ist ein typisch »Mahlerisches« Motiv (Cardus)160. Es ist ein aufsteigendes Motiv, das manchmal in Sekunden, ein anderes Mal in einer großen oder kleinen Terz mehr drängend als in freier Melodie aufsteigt bis es die erste Endnote erreicht, anschließend steigt es weiter aufwärts. Hansen warnt davor, dieses bei Mahler immer wiederkehrende Motiv als »Ur-Motiv« zu stilisieren – man verfehle musiksprachliche Flexibilität durch die Starre normierter Tonsatz-Vokabeln. Dennoch, so Hansen, vereine es doch grundlegende Merkmale von Mahlers musikalischer Darstellungsweise. Das Motiv bestehe nicht mehr und nicht weniger aus eben jenem »ansteigend-einatmenden Öffnen« und »absteigend-ausatmenden Schließen«, eine »stufenlose Verschränkung von Dehnung und Zusammenziehung des Tonsatzes«, die im Adagietto die gesamte Formbildung leitet.161 Die vorhandenen Konturen der dreiteiligen Liedform dieses Satzes verschwimmen angesichts der Allgewalt des Kern-Motivs, das sich auch in anderen Werken Mahlers findet. Der erste Hinweis findet sich im Finale der ersten Sinfonie (vgl. Abbildung 11.3).162
Unmittelbar vergleichbar mit dem Eröffnungsmotiv der fünften Sinfonie ist es im dritten Satz der vierten Sinfonie (vgl. Abbildung 11.4).163
Die Tatsache, daß dieses Motiv gleich in verschiedenen Werken präsent ist, verweist auf eine mögliche Bedeutung für Mahler. Nach Auffassung von Cardus |