- 142 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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des melodischen Materials anzusehen. Im Hauptthema fließt die Melodie in den ersten vier Takten von der unteren Dominante e zu der oberen »Superdominanten« fis mit der typischen Wendung fis-e als ersten Höhepunkt (Takt 4). Damit entspricht Chopin auch insofern der polnischen Volksmusik, als daß er die Melodie gleich von Anfang an mit Schwung in hohe Klangsphären treibt. Ein typisches Merkmal der polnischen Bauernmusik ist hier ein Emporsteigen der Melodie auf die None der Dominantharmonie. Auch das erfüllt Chopin, wenn er mit dem fis” den ersten Höhepunkt der melodischen Linie in Takt 4 erreicht. Von hier aus steigt die Melodie in eine noch höhere Sphäre, indem das Thema in Takt 5 im terzverwandten Cis-Dur erklingt und sich von hier aus bis zum eis” emporschwingt. Der stolze Ausdruck des ganzen wird – auch im folgenden – nicht zuletzt durch den vollen akkordischen Satz und die Staccatobewegungen verursacht. In einer kurzen Durchführung b (Takte 9 bis 16) wird das Thema dann fast schon kalkuliert überspitzt durch verschiedene Tonarten gepreßt (u.a. H-, Gis-, Dis- und A-Dur). Dieser Teil beginnt in der Doppeldominanten H-Dur. Bereits hierdurch wird eine weitere klangliche Steigerung der Melodie bewirkt. In den Takten mündet das Thema in Gis-Dur, im nächsten Takt erklingt das in der Durchführung insgesamt zweimal zitierte rhythmische Motiv des Hauptthemas in Dis-Dur – Leichtentritt führt diese Terzverrückungen auf ihren folkloristischen Ursprung zurück.90
90 Hugo Leichtentritt: Analyse der Chopinschen Werke, Bd. 1. Berlin 1921, S. 98.
Schließlich kehrt es wieder in seiner ersten Gestalt a wieder (Takte 17 bis 24), um nach der Abwärtsbewegung der Durchführung wieder zu seinen melodischen Höhepunkten (Takt 20 und 22) aufzusteigen. Der Mittelsatz B in der Subdominanten D-Dur behält den Rhythmus bei, und zwar zu einem kraftvoll geschmetterten, fanfarenartigen Dreiklangsthema c (vgl. Abbildung 8.2).91
91 Chopin 1949, S. 34.



Abbildung 8.2: F. Chopin: Polonaise A-Dur op. 40 Nr. 1, Dreiklangsthema c


Nach kurzen akkordischen, jedesmal leise beginnenden und durch wechselnde Dur- und Moll-Harmonien mächtig aufsteigende Zwischenspiele wird das Thema immer lauter und strahlender wiederholt (Takte 29 bis 40). Auffällig sind in den Zwischenspielen die zahlreichen verminderten Septimakkorde. Auch im Mittelsatz gibt es eine Durchführung d (Takte 41–48), mehr eine Art Überleitung, die, so Leichtentritt, mit »undefinierbarer Tonalität« im Unisono als imitierte Paukenwirbel zur Wiederkehr des Dreiklangsthemas c führt (Takt 49). Die Vorbereitung erhält in Chopins Polonaisen im allgemeinen eine wichtige strukturelle Funktion.


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