- 141 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (140)Nächste Seite (142) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

verdichtet, krachende Akkorde, große Sprünge in der Melodik des Mittelteils sowie die Oktavverdoppelungen beider Hände machten das Werk zu einem populären Stück, das auch heute noch bei Gala-Abenden, Debütanten-Bällen oder im Tanzschulalltag gerne gespielt wird. Forte und Fortissimo sowie energische Rhythmen geben ihm eine stolze, militärisch-nationale und ebenso theatralische Färbung. Chopins Verleger gab das Opus – wahrscheinlich gegen Chopins Willen – sogar unter dem Titel »Les Favorites« heraus, um diesen Gestus zu unterstreichen. Mit großer Vorliebe spielte Liszt dieses Stück in den vierziger Jahren. Zur Vortragsweise dieser militärischen Polonaise beschreibt Schonberg eine Anekdote. Hier heißt es, Chopin hätte sie einmal einen jungen Musiker spielen hören. Dabei riß eine Saite des Klaviers, und der Pianist entschuldigte sich verlegen. »Mein Lieber«, meinte Chopin, »wenn ich Ihre Kraft hätte und die Polonaise so spielte, wie sie gespielt werden soll, blieben am Ende überhaupt keine ganzen Saiten mehr übrig.«86
86 Chopin, ohne Quellenangaben, zit. n. Harold C. Schonberg: Die großen Pianisten. Eine Geschichte des Klaviers und der berühmtesten Interpreten von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bern/München/Wien 1965, S. 140.

Der Aufbau ist symmetrisch übersichtlich. Das Werk ist in großer dreiteiliger Liedform geschrieben (ABA). Wie es bei stilisierten Tänzen üblich war, entspricht auch diese Polonaise der da capo-Anlage, wenn auch die Entwürfe für die internen Wiederholungen in Chopins Polonaisen unterschiedlich ausfallen. Obwohl sein Verhältnis zur polnischen Volksmusik nicht leicht zu beschreiben ist – denn volkstümliche Elemente verschmelzen bei ihm untrennbar mit seinem individuellen Stil – ist die A-Dur-Polonaise nach Ansicht Hlawiczkas eine der frappierendsten Bestätigungen »typisch polnisch« folkloristischer Wendungen in Chopins Kompositionen.87

87 Karol Hlawiczka: »Ein Beitrag zur Verwandtschaft zwischen der Melodik Chopins und der polnischen Volksmusik.« In: Lissa 1963, S. 176–184.
Nicht nur die Rhythmik dieser Polonaise mit dem feurigen Temperament und dem sarmatischen Schwung, sondern auch die Melodik spiegelt die Merkmale polnischer Melodien wider, die Chopin den Dörfern und den aristokratischen Salons seiner Heimat gleichermaßen abgelauscht hatte. Der Hauptsatz A besteht lediglich aus dem 8-taktigen Hauptthema a (vgl. Abbidung 8.1).88
88 Frederic Chopin: Polonaise op. 40, 1, hrsg. von Ignacy J. Paderewski/Ludwik Bronarski/Józef Turczynski (= Fryderyk Chopin. Sämtliche Werke, Bd. VIII: Polonaisen). Warschau/Krakau 1949, S. 32.



Abbildung 8.1: F. Chopin: Polonaise A-Dur op. 40 Nr. 1, Hauptthema a


Das Thema enthält ebenso die für die polnische Folklore typische Wendung Superdominante-Dominante,89

89 Hlawiczka 1963, S. 183.
sprich die Neigung, die VI. Stufe als den Spitzenton

Erste Seite (i) Vorherige Seite (140)Nächste Seite (142) Letzte Seite (600)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 141 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik