- 143 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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Das Dreiklangsthema wird in den Takten 49 bis 64 nochmals dynamisch gesteigert, die chromatischen Läufe verstärken die dynamische Wirkung zusätzlich. In der Reprise (Takt 65) kehrt das Hauptthema a wieder, das nach einer erneuten Durchführung b (Takte 73 bis 80) ein letztes Mal wiederholt wird (Takte 81 bis 88).

8.3.2.  Die dramaturgische Umsetzung

Chopins Polonaise A-Dur op. 40 Nr. 1 wird in Szene 27 zitiert. Die zahlreichen romantischen und motivischen Fäden, die Wajda vorher gesponnen hat, laufen in dieser Szene zusammen. Das Fest der alten Aristokratie geht im Morgengrauen zu Ende. Die meisten Gäste sind gegangen. Der Saal gleicht einem Schlachtfeld. Während einige Musiker ihre Instrumente einpacken und sich zum Aufbruch bereit machen, lungern die letzten Betrunkenen noch im abgestandenen Zigarettenqualm an der Bar herum. Sie tauschen Albernheiten aus. Aus dem Hintergrund ertönen plötzlich einige Klavierklänge von Oginskis Polonaise Adieu à la patrie. Kotowicz horcht auf und geht langsam zu den Musikern herüber. Aus dem Hintergrund hört man Hanka Lewickas Stimme: »Wo bleibt die Musik? Ich will tanzen!« Selbst in betrunkenem Zustand verliert Kotowicz seine ihm eigene überheblich aristokratische Theatralik nicht. Mit pompöser Geste fordert er die protestierenden Musiker auf, weiterzuspielen:

Kotowicz: »Un moment! Seid ihr Künstler, meine Herren, oder seid ihr keine Künstler?«
Musiker: »Künstler? Jetzt noch? (lacht) Wo denken Sie hin, es ist ja schon hell!«
Kotowicz: »Für einen Künstler spielt die Zeit gar keine Rolle! Keine Widerrede! Es wird weitergespielt!«

Mit erhobenem Zeigefinger deutet Kotowicz die ersten Takte von Chopins Polonaise an. Die Musiker kennen das Stück nicht; Kotowicz zeigt sich empört und beharrt gegenüber dem Pianisten unbeirrt auf dem Stück. »Nein, nein, junger Mann. Ich will nichts hören. Sie spielen und damit Schluß! A-Dur, A-Dur!« Eine augenzwinkernde Inszenierung von Wajda, denn die aristokratische Überheblichkeit von Kotowicz und sein allzu romantisches Künstlerbild kontrastieren hier in grotesker Weise mehr denn je zu den Musikern, die ihren Job als harte Arbeit betrachten und sich auf ihren Feierabend freuen. Kotowicz bittet die Gesellschaft auf die Tanzfläche.

Die politischen Parteien haben sich vermischt: da ist Katharina Staniewicz, die den Minister Swiecki gutgelaunt auf die Tanzfläche zerrt, dessen Assistent Pawlicki, Hanka Lewicka, Puciatycki, Pienazek, der Redakteur der »alten Garde« – und nicht zuletzt Kotowicz: Aristokraten, Bürgerliche und Kommunisten in Eintracht bunt zusammengewürfelt. Im Vollrausch spielt die Politik keine Rolle mehr. Krystyna bleibt allein in der Bar zurück. Sie öffnet das Fenster, ein greller Sonnenstrahl dringt in den verrauchten Raum. Beklemmung liegt über der gesamten Szene, denn das Morgenlicht, das hier durch die Türen und zerfetzten Rouleaus bricht, wirft die Menschen in diesem Moment als grelle Barriere in die finsteren Räume zurück. Während Maciek und Krystyna still und scheinbar gefaßt voneinander Abschied


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