Wie die Ausführungen zeigen, ist die zeitliche bzw. rhythmische Gestaltung von
Sprache – verwoben mit anderen musikalischen Elementen – unverzichtbarer
Bestandteil jeder sprachlichen Äußerung. Dabei spielt neben der Unterstützung des
Sprachverständnisses und des Kommunikationsablaufes besonders auch die Vermittlung
von emotionalen Inhalten eine Rolle:
5.1.2. Sprache als vorgeburtlich wahrgenommener Stimulus
Spüren … Hören … Speichern…
Zum Zeitpunkt der Geburt kommt das Neugeborene nicht als ›unbeschriebenes Blatt‹
auf die Welt. Schon im Mutterleib war es einer Vielzahl von Sinnesreizen ausgesetzt.
Dabei erstrecken sich die frühesten Wahrnehmungsmöglichkeiten auf den Bereich des
Ohres. Hier ist nicht nur der Hörsinn lokalisiert, sondern auch der Gleichgewichtssinn.
Das Hörvermögen wird im dritten Schwangerschaftsmonat angelegt, im vierten Monat
ausdifferenziert, und liegt im 7. Monat ausgereift vor, Reaktionen des Ungeborenen auf
äußere Schallreize sind in diesem Stadium nachgewiesen (vgl. Zimmer 1984, S. 50f.;
vgl. auch Tomatis 1995, S. 188, der davon ausgeht, dass das Ohr schon lange bevor
der funktionelle Aufbau abgeschlossen ist, Reize verarbeitet und speichert).
Dieser Entwicklung voraus geht jedoch die Ausdifferenzierung des vestibulären
Apparates:
Der Nervus vestibularis (Gleichgewichtsnerv) erhält als erster Nerv seine
Markscheiden (myelinreiche Nervenumhüllung). Der mit ihm so eng
verwandte Nervus cochlearis (Hörnerv) tritt dagegen »erst« im 6. Monat in
die Markscheidenreife ein. (Clauser 1971, S. 69).
Zu diesem Zeitpunkt arbeitet der Gleichgewichtsnerv schon zwei Monate lang. So
wird der mütterliche Herzschlag zunächst als Bewegungsrhythmus über den
Gleichgewichtssinn und erst später akustisch über den Hörsinn erlebt. Alfred
Tomatis benennt ganz deutlich die Verarbeitung von (Sprach-)Rhythmen im
Vestibularapparat:
Auf akustischer Ebene
beschränkt sich die Funktion des Gleichgewichtsorgans sicherlich in erster
Linie auf die Erfassung von Rhythmen. Durch die Vermittlung letzterer
entsteht eine bestimmte Vorstellung vom Körper, ein Körperbild, und zwar
durch die körperliche Erfassung dieser Rhythmen. (Tomatis 1995, S. 64).
… Erinnern
Neben den Geräuschen von Magen- und Darmtätigkeit, Herz- und Atemrhythmus nimmt
der Fötus im letzten Drittel der Schwangerschaft vor allem die