- 159 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Metrum in der Musik bezieht sich auf die Schwerpunktbildung.
Der Begriff Metrum überschneidet sich mit dem Begriff Takt.
Das Metrum erklingt nicht unbedingt real, sondern kann (und muss) auch aus innerlich vorgestellten Bezugspunkten bestehen.

Wenn Großmann formuliert »Diesem Raster [dem Metrum] fehlen jegliche Gestaltqualitäten.« (ebd.) ist dieser Aussage allerdings zu widersprechen. In Bezug auf Rhythmus als Gestalt war dargestellt worden, dass für die Gestaltwahrnehmung auch die Beziehung von Figur und Hintergrund ausschlaggebend sein kann (vgl. Abschnitt 6.2). Als Hintergrund wirken im Fall eines Metrums die gleichabständigen Zählzeiten, Figuren entstehen durch die Betonungs- und Längenstruktur. Im Abschnitt 6.1.3 war auf das Phänomen der subjektiven Rhythmisierung hingewiesen worden: jeder Mensch hat das Bedürfnis, in einer Folge physikalisch identischer Ereignisse individuelle Akzente wahrzunehmen, auch hier kann von Gestaltbildung ausgegangen werden (in Zusammenhang mit der Definition der Begriffe und Phänomene soll hier darauf hingewiesen werden, dass die Bezeichnung ›subjektive Rhythmisierung‹ durch Schwerpunktsetzung charakterisiert wird – und somit ein Metrum im Sinne einer Akzentstruktur generiert. Terminologisch klarer wäre also der Begriff ›subjektive Metrisierung‹). Zu denken gibt wiederum die Erkenntnis, dass Versuchspersonen erst in der Lage waren, verschiedene Metren zu unterscheiden, als diese melodisch gestützt wurden (vgl. Abschnitt 7.3). Diese Tatsache spricht wiederum dafür, dass Metrum eng (wenn nicht untrennbar) mit dem Rhythmus und anderen musikalischen Parametern verwoben ist.

Takt

Auch der Begriff Takt meint eine Struktur, die durch Schwerpunkte gekennzeichnet ist. Auf die Überschneidung von Takt und Metrum war oben bereits hingewiesen worden. Hempel (1997, S. 90f.) führt allerdings als Unterscheidungsmerkmal zum Metrum an, der Takt sei ein abstraktes Muster, während Metren sich konkreter sprachlicher oder musikalischer Gestalten bedienten wie im Hexameter oder Sonett. Diese Argumentation erscheint fragwürdig, all zu selten verharrt ein Musikstück tatsächlich über einen längeren Zeitraum – oder etwa seine ganze Länge – in einem kontinuierlichen Muster. Auch das Kriterium, Takt basiere auf einem einheitlichen Zählwert (Viertel, Achtel usw., je nach Taktart), während ein Metrum aus Noten verschiedener Länge zusammengesetzt sein könne, überbewertet die Bedeutung, die den alten Versfüßen wie Jambus, Trochäus usw. (vgl. Renner 1980, S. 74) für die Klassifizierung von Musik zukommt. Denn das Charakteristikum der antiken griechischen Sprache ist deren quantitierende Gestaltung (vgl. Abschnitt 3.2.1), während Musik – gerade die durch den Akzentstufentakt geprägte – unter akzentuierenden Prinzipien geregelt und empfunden wird.

Im Umfeld von Akzentuierung und Dauer muss auf die Erkenntnis der experimentellen Psychologie verwiesen werden, dass der Mensch dazu neigt, Längen auch zu betonen bzw. Betonungen auch länger zu gestalten, dass also Wechselwirkungen eintreten. Dennoch handelt es sich bei Betonung und Längung um zwei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, die in der Musikausübung möglichst unabhängig voneinander zur Verfügung stehen sollten. Besonders hervorzuheben im


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