Zeitwahrnehmung widerspiegelt. So konnte nachgewiesen werden, dass die Aufführung
bestimmter Musikstücke durch einen Interpreten auch zu lange auseinanderliegenden
Zeitpunkten eine erstaunliche Übereinstimmung in der Gesamtlänge aufweisen. Selbst
wenn einige Teile einer Interpretation ihre Länge deutlich wahrnehmbar verändern, wird
dies über die Gesamtlänge wieder kompensiert (vgl. Clynes/Walker 1983, S. 181ff.). Es
stellt sich die Frage, ob die in der Musikverarbeitung tätig werdenden Mechanismen
rein mental arbeiten oder sich (auch) auf motorische Mechanismen stützen. So
postuliert Shaffer (1982), motorische Muster selber könnten Zeitabläufe generieren
(vgl. Abschnitt 5.2.1). Günther Rötter (2000) untersuchte u. a., ob die gedankliche
Vorstellung oder die tatsächliche Ausführung eines Stückes mit größerer Genauigkeit und
Replizierbarkeit abläuft. Besonders beobachtet wurden im Versuchsaufbau etwaige
begleitende Bewegungen zur mentalen Vorstellung. Rötter kam zu dem Ergebnis, dass
die motorische Aktivität zumindest beim Erlernen eines Musikstückes einen günstigen
Einfluss auf die zeitgenaue Wiedergabe von Musik zu haben scheint (ebd.,
S. 126).
Festzuhalten bleibt, dass der interne Zeitgeber dem musizierenden Menschen erstaunliche Leistungen in Bezug auf die Tempogenauigkeit ermöglicht. Allerdings standen in den genannten Untersuchungen hoch qualifizierte Musiker im Mittelpunkt. So verweist Rötter darauf, dass das Phänomen der identischen Zeitdauer in der Wiedergabe eines Musikstückes mit weniger versierten Pianisten nicht nachweisbar war (vgl. ebd., S. 125). Ein großer Teil musikpädagogischen Wirkens spielt sich tatsächlich weit jenseits der Interpretation komplexer Werke des Konzertrepertoires ab. Oft genug ringen Musikpädagoginnen und Musikpädagogen um die stabile Ausführung von schlichten Rhythmen (vermeintlich) simpler Stücke und Übungen. Die Möglichkeit zur geschilderten Tempogenauigkeit mit Hilfe der inneren Uhr scheint in diesen Situationen tief verschüttet zu sein.
7.3. Gehirn und Musik
7.3.1. Parallelen von Sprach- und MusikverarbeitungMusik und Sprache spielen sich als klangliche Prozesse innerhalb eines zeitlichen Verlaufs ab. Diese Tatsache hat viele Forschende dazu bewegt, nach Gemeinsamkeiten in der neurologischen Verarbeitung zu suchen. Die prosodischen – also musikalischen – Anteile der Sprache enthalten die entscheidenden Informationen für den beginnenden Spracherwerbsprozess. Die musikalisch-rhythmischen Elemente haben eine Schlüsselfunktion für das allmähliche Verstehen von Sprach-Inhalt (Wortbedeutung) und Sprach-Form (Grammatik). Aber auch noch im Erwachsenenalter sind die musikalischen Anteile der Sprache sowohl für den eigenen Ausdruck als auch das Verständnis anderer von entscheidender Bedeutung. Sprache ist von Musik allerdings dadurch abgegrenzt, dass Silben und Wörter eindeutigen Zuschreibungen unterliegen, die innerhalb einer Kultur oder Gruppierung allgemein verständlich und (relativ) eindeutig sind. Musik dagegen ist in ihrer Bedeutung eher offen, kann von Person zu Person unterschiedlich gedeutet werden. Dennoch können Grundtendenzen und Stimmungen über unterschiedliche Arten |