- 75 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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Die nun folgende Periode von 1960–1980 (vgl. Seite 62) wird in der Literatur vor allem durch den Begriff ›Neue Welle‹91

91Eigentlich sollte der Begriff eher im Plural verwendet werden, da sich ausgehend von Frankreich, wo man von der ›Nouvelle Vague‹ spricht, viele kleine ›Neue Wellen‹ auch in anderen Ländern bildeten. Einen sehr detaillierten Überblick findet der interessierte Leser im Abschnitt ›Die Nouvelle Vague und das neue Kino: Kommunikation vor Unterhaltung‹ in [Monaco(1998), S. 328–376]. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Überschrift eigentlich nicht besonders passend gewählt ist, da sich ›Nouvelle Vague‹ eigentlich nur auf Frankreich bezieht, im Artikel aber auch auf Deutschland, England, die USA etc. eingegangen wird.
geprägt. In gewisser Weise kann man hier von einer Periode des Umbruchs sprechen. In dieser Zeit spielen weniger technische Neuerungen als vielmehr künstlerische Neuerungen eine bedeutende Rolle. Die kulturelle und politische Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre, die eng mit Geschehnissen, wie z. B. dem Bau der Berliner Mauer 1961, dem Beginn der Rassenunruhen in den USA 1964 und der Ermordung Martin Luther Kings 1968, dem Beginn des Vietnamkriegs 1965 oder der Studentenrevolte 1968 zusammenhing, machte auch vor dem Kino nicht halt. Nachdem in den fünfziger Jahren einige Regisseure schon eigene Wege gegangen sind und sich vom Mainstream abgewandt hatten, kam es nun zu einer regelrechten Häufung von Filmkunstbewegungen, die sich vornahmen, »das Ansehen des Mediums Film als eigenständige und den traditionellen Gattungen gleichwertige Kunstform zu stärken.«92
92[Gronemeyer(1998), S. 129].

Bei den Regisseuren, die sich zu diesen Filmbewegungen zusammenschlossen, handelte es sich nun nicht mehr um Autodidakten. In den im letzten Jahrzehnt gegründeten Filmakademien genossen viele von ihnen eine qualitativ hochwertige technische und theoretische Ausbildung und konnten nun – mit einem fundierten Wissen und reichen Erfahrungen ihrer Vorbilder – eigene Wege gehen. Die Regisseure dieser Zeit hatten einen großen Vorteil gegenüber ihren Vorgängern: die technische Entwicklung war im Groben und Ganzen abgeschlossen.

In Frankreich schloss man sich zur ›Nouvelle Vague‹93

93Vgl. auch Daniela Sannwald: ›Nouvelle Vague‹ in [Rother(1997), S. 219–221].
zusammen. Die zum großen Teil nach 1927 (der Einführung des Tonfilms; vgl. Seite 68) geborenen Regisseure Claude Chabrol, François Truffaut, Jean-Luc Godard, Eric Rohmer sowie Jacques Rivette besaßen im Gegensatz zu ihren Vorbildern bereits ein Gefühl für die Kultur und Tradition des Films und ihre Filme vermittelten dieses Gefühl. Die Bewegung selbst ging eigentlich von André Bazins filmtheoretischer Zeitschrift ›cahiers du cinéma‹ aus, für die die oben erwähnten Regisseure alle in den fünfziger Jahren geschrieben hatten und durch die sie auch theoretisch geprägt waren. Die auch zur ›Nouvelle Vague‹ zählenden Regisseure Louis Malle und Alain Resnais begannen ihre Karriere zwar nicht als Kritiker, gingen aber von einem ähnlichen Ansatz aus. Vor allem Truffauts frühe Klassiker wie z. B. ›Sie küßten und sie schlugen ihn‹ (1959), der auf Anhieb die Goldene Palme gewann, ›Schießen Sie auf den Pianisten‹ (1961) sowie ›Jules und Jim‹ (1962) waren die ersten großen Erfolge der Gruppe. Truffaut war – wie die meisten Regisseure der ›Nouvelle Vague‹ – vom amerikanischen Kino fasziniert. Er verschmolz Elemente des ›Film Noir‹ sowie des Western- und Gangsterfilms mit einer typisch französischen philosophischen Haltung. Auf diese Art gelang ihm eine anregende Vermischung von unterschiedlichen Kulturen. Obwohl die ›Nouvelle Vague‹ eigentlich keine besonders einheitliche Bewegung

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