- 67 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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also anfänglich mit dem eigentlichen Film wenig gemeinsam. Dies begann sich zu ändern, als sich das Kino zum gutbürgerlichen Unterhaltungsmedium wandelte. Allerdings stellte dabei die Zusammenarbeit von Regisseur und Komponisten wie z. B. in ›Die Ermordung des Herzog von Guise‹ (1908), für den der Komponist Camille Saint-Saëns gewonnen wurde, eine Ausnahme dar.

Obwohl die Bereicherung des Films durch inhaltlich abgestimmte Musik schon früh erkannt wurde, blieben jedoch meistens Originalkompositionen die Ausnahme. Manchmal wurde bereits vorhandene Musik eingesetzt wie z. B. in Griffith ›Geburt einer Nation‹ (1915). Meistens aber war die Begleitmusik den Musikern nicht einmal zwingend vorgeschrieben. Zur Untermalung existierten so genannte Kinotheken, in denen hauptsächlich Werke der romantischen Epoche zusammengestellt wurden. Meist waren die Kinotheken nach emotionalen Stichworten wie z. B. Trauer, Schwermut, Hektik, Dramatik etc. sortiert, so dass der oder die Musiker einfach nach einem Stichwort suchen mussten und dann meist die Musik vom Blatt spielen konnten. Verschiedene Stücke wurden einfach aneinander gehängt und durch improvisierte Überleitungen verbunden.

Diese Vorgehensweise war in der Zeit des Stummfilms üblich und änderte sich erst 1927 mit der Einführung des Tonfilms: »Mit dem in den Filmstreifen kopierten Lichtton, der schon bald den Nadelton, die Verbindung von Grammophon und Projektor, ablöste, konnten zwar die Synchronisationsprobleme behoben werden, die Klangqualität reichte jedoch lange nicht an die früheren Live-Aufführungen heran.«60

60[Gronemeyer(1998), S. 47]. Die ersten Versuche, das Filmbild mechanisch mit dem Grammophon zu koppeln, fanden schon 1904 statt. Große Probleme bereiteten damals die Synchronisation, die begrenzte Möglichkeit auf eine Grammophonplatte nur fünf Minuten Ton zu pressen sowie die Beschallung eines Kinos mit einem einzigen Grammophon. 1913 verschwanden die frühen Tonbilder mit der Einführung des Langfilms und den immer größer werdenden Kinopalästen von der Leinwand. Das früheste professionelle Tonsystem dürfte das in den Bell Telephone Laborities entwickelte ›Vitaphone‹ – auch als Nadeltonsystem bekannt – gewesen sein. Eine perfekte Synchronisation war allerdings hier auch nicht möglich. Vgl. [Reetze(1992), S. 37–39]. Ausführliche Informationen zur Entstehung des Tonfilms findet der interessierte Leser bei [Jossé(1984)] oder [Weber(1976)].
Bei dem damals gängigen Verfahren des Lichttons61
61Vgl. Abschnitt 6.3.
wurde das Tonsignal mit einer Licht-Kamera aufgezeichnet. Elektrische Signale der Mikrofone wurden in Lichtsignale umgewandelt und diese in einer Abfolge von Schwärzungen unterschiedlicher Dichte62
62Hierbei handelt es sich um die heute nicht mehr übliche Sprossenschrift.
oder variabler Breite63
63Auch Zackenschrift genannt.
gespeichert. Als problematisch erwies sich aber schnell die gleichzeitige Speicherung von Sprache, Geräusch und Musik auf einer Spur. Es bestand keine Möglichkeit, diese drei akustischen Ebenen nachträglich abzumischen. Aus diesem Grund entschieden sich die meisten Produzenten dazu, entweder Sprache oder Musik zu verwenden.64
64Eine seltene Ausnahme stellt Alfred Hitchcocks ›Blackmail‹ aus dem Jahr 1929 dar.
Zu dieser Zeit entdeckte man auch die Möglichkeiten des Einsatzes von Musik im Film. In Filmen wie z. B. ›Unter den Dächern von Paris‹ (1930; R.: René Clair) oder ›M‹ (1931; R.: Fritz Lang) wird die Musik zum ersten Mal nicht nur untermalend eingesetzt, vielmehr kommt sie als eigenständiges ästhetisches Gestaltungsmittel zur Geltung. Als erster Tonfilm

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