- 66 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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nach der reinen Kunst des Kinos führte schließlich zum ›Cinéma pur‹55
55Einer der wichtigsten Filme ist René Clairs ›Zwischenakt‹ (1924), der u. a. auch stark vom Dadaismus beeinflusst wurde.
oder in Deutschland zum ›Absoluten Film‹.

Besonders in Frankreich erreichte der avantgardistische Film einen seiner Höhepunkt durch Luis Buñuel. Seine Filme ›Un chien andalou‹ (Der andalusische Hund; 1928)56

56Vgl. dazu Thomas Kuchenbuch: ›Künstlerische Avantgarde und der Film: Ein andalusischer Hund (1928)‹ in Band II von [Faulstich und Korte(1996), S. 92–109].
und ›L’age d’or‹ (Das goldene Zeitalter; 1930)57
57Hierbei handelt es sich schon um einen Tonfilm.
erzielten große Aufmerksamkeit. Hier spricht man auch vom Surrealistischen Film par excellence. Deutsche Filmproduktionen beschränkten sich zum großen Teil auf Unterhaltungsfilme und unterscheiden sich kaum vom weltweiten Standard. Lediglich die Bemühungen, einen künstlerischen Film im Stil der zu der Zeit populären Kunstrichtung des Expressionismus zu gestalten, stießen auf internationales Interesse. Den ersten internationalen Erfolg erziehlte der Regisseur Robert Wiene mit ›Das Cabinet des Dr. Caligari‹ (1919). Der Stil konnte sich auf Dauer nicht durchsetzen, beeinflusste aber die Entwicklung des Horror- und Gangstergenres maßgeblich. So ist z. B. Wilhelm Murnaus ›Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens‹ (1922) dem Expressionismus nur noch bedingt zuzurechnen. Ein weiterer herausragender Regisseur des Expressionismus ist Fritz Lang. Seine Filme ›Der müde Tod‹ (1921) und ›Dr. Mabuse der Spieler‹ (1922) spielen in betont künstlichen Kulissen. Auch die artifizielle Beleuchtung trägt wesentlich zur expressionistischen Wirkung bei.

In der UdSSR bewunderte man vor allem Griffith und seine Montagetechnik. Die experimentelle Weiterentwicklung dieser wurde zum wesentlichen Merkmal des avantgardistischen Films in Russland. Hier spielen Namen wie Lev Kuleshov, Dziga Vertov, Sergej M. Eisenstein sowie Vsevolod Pudovkin eine große Rolle. Eisenstein bevorzugte besonders die ›Kollisionsmontage‹58

58Hierbei handelt es sich um eine schnelle Aufeinanderfolge stark emotionsgeladener Bilder, die in schockierender Weise miteinander kollidieren, wie z. B. in der Schlussszene seines Films ›Streik‹ (1924). Hier wurden Bilder von der Ermordung Streikender mit denen blutigen Einstellungen aus einem Schlachthaus kombiniert.
, aus der er später die ›rhythmisierende Montage‹ weiterentwickelte. Bestes Beispiel für diese ist sein Film ›Panzerkreuzer Potemkin‹ aus dem Jahr 1925. Auch Vsevolod Pudovkin nutze die Montage in besonderer Form. Seine bekanntesten Filme sind u. a. ›Das Ende von St. Petersburg‹ (1927) sowie ›Die Mutter‹ (1926). Gerade in dem letzten Film wird aber der Unterschied zu Eisenstein deutlich. Pudovkins erzählt seinen auf einer erfundenen Fabel basierenden Film geradlinig und lässt die psychologisch konzipierten Charaktere von bekannten Schauspielern darstellen. Eisenstein hingegen erzählt eine wahre Geschichte (den Aufstand von Odessa) in Form einer rhythmischen Bildercollage, legte großen Wert auf die Masse, die er zum Helden stilisierte und ließ die auf Typen reduzierten Figuren von Laien darstellen.

Das Wort ›Stummfilmzeit‹, mit der die Periode 1913–1927 bezeichnet wird,59

59Vgl. Seite 62.
trifft eigentlich nicht exakt zu, denn der Film war eigentlich nie stumm. Schon seit Beginn des Kinos gibt es Kinomusik. Sie ist so alt wie der Film selbst. Selbst der Cinématograph wurde schon mit Musik begleitet – zunächst allerdings nur, um die lauten Geräusche des Projektors zu übertönen. Die Musik selbst hatte

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