Informationsstrukturen neue
Möglichkeiten: unterschiedliche Informationen, wie z. B. Audio, Video, Text, Noten oder
Sprache, die früher auf verschiedenen Informationsträgern gespeichert wurden, konnten
nicht miteinander gekoppelt werden. Heute können sie beliebig miteinander
kombiniert, dargestellt und vermittelt werden. Dabei entstehen »neue Potentiale der
Rezeption und geistigen Auseinandersetzung, etwa bei der Modellbildung, der
Simulation, der Konstruktion virtueller Prozesse. […] Die strukturellen Grenzen
zwischen Informationsträgern, Kommunikationssystem, Ausbildungsmaterialien
und virtuellen Erfahrungswelten zerfließen – zumindest in technologischer
Hinsicht.«8
Diese neuen, oftmals unter dem Namen Multimedia zusammengefassten
Produkte stellen wiederum aber auch bestimmte Voraussetzungen an
den Rezipienten: die Fähigkeit zur Selektion und Evaluation bei der
Informationsverarbeitung.9
Diese Fähigkeiten sind allerdings bei der älteren Generation besser ausgebildet. Im Gegensatz dazu
ist die junge Generation generell eher Multimedia-Angeboten gegenüber aufgeschlossen. Die noch
großen Differenzen im Informationsverhalten der Generationen werden sich erst allmählich abbauen.
Vgl. dazu [N.N.(1998)]. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus: »3. Kulturwirtschaftsbericht«,
Hg. Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes NRW, August
1998.
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Durch die technische, industrielle und funktionale
Konvergenz10
In [N.N.(1998)] wird vage auch von einer »Nutzer-Konvergenz« gesprochen.
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ergeben sich weit reichende Veränderungen medientechnischer, gesellschaftlicher sowie
rechtlicher Art. Die dadurch ausgelösten Fragen und Probleme der Formatierung,
Konvertierung, Verteilung und Verwertung von Informationen sowie neuartige
Formen der Verarbeitung und Präsentation des multimedialen Wissens lassen
sich gerade mit geisteswissenschaftlichen, insbesondere musikwissenschaftlichen
Aufgabenstellungen sehr gut demonstrieren. Dies soll im Folgenden kurz dargestellt
werden.
Der deutsche Philosoph Odo Marquard geht davon aus, dass die
Geisteswissenschaften allgemein, was die Schäden durch die Modernisierung
der Naturwissenschaften angeht, eine kompensatorische Funktion
haben.11
In seinem auf dem KlangArt-Kongress 1997 zum Thema ›Musik im virtuellen
Raum‹12
gehaltenen Vortrag ›Music@EncycloSpace‹ umschreibt der Musikwissenschaftler und Mathematiker
Guerino Mazzola diese als »active function of orientation within the overall organisation of knowledge
production«.13
Den Geisteswissenschaften kommt also die Aufgabe zu, die immer größer werdende
Wissensproduktion in gewisser Weise zu strukturieren bzw. zu organisieren und dazu
Modelle zu entwickeln, denn ungeteiltes, undurchsichtiges oder unzulängliches Wissen ist
und wird nie von allgemeinem Interesse sein und somit auch keinen Bestand haben. Die
Weitergabe von Wissen setzt Verstehen und Begreifen voraus und dies ist nur dann der
Fall, wenn das Wissen zuverlässig und gut strukturiert abrufbar und vor allem jedem
prinzipiell zugänglich ist.
Mazzola betrachtet das Internet bzw. den virtuellen Raum als eine Art
Weltbibliothek14
Die Idee einer ›Weltbibliothek‹ oder eines ›knowledge spaces‹ ist nicht neu. Schon früh machte
man sich Gedanken, auf welche Art und Weise das bisher gesammelte Wissen gespeichert und
strukturiert werden konnte. Als Speichermedium stand damals lediglich das gedruckte
Buch zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert entstanden die ersten Versuche, das gesamte
Wissen in reich verzierten und mit üppigen Kupferstichen und Radierungen ausgestatteten
Lexika zusammenzufassen. Als bedeutendes Beispiel sei hier das »Große(s) vollständige(s)
Universallexikon aller Wissenschaften und Künstler« genannt, dass der Verleger Heinrich
Zedler in den Jahren 1732–1750 herausgab. Ein weiteres Meisterwerk stellt die 35-bändige
französische ›Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers‹ des
Schriftstellers und Philosophen Denis Diderot dar. Diese Enzyklopädie enthält siebzehn
Textbände (1751–1765), elf Tabellenbände (1751–1772) sowie 4 Ergänzungstextbände, einen
Ergänzungstabellenband und zwei Registerbände und wurde im Jahr 1780 fertig gestellt. Vgl. auch
Kapitel 2.3.
Auch Enders vergleicht das Internet mit einer Art digitalen Bibliothek bzw. mehr noch mit einer
globalen Mediothek. Deutlich wird dies z. B. durch den Aufsatz »Musikbibliothek im Internet«. Vgl.
[Enders(2003b)].
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und bezeichnet ihn als ›EncycloSpace‹: »EncycloSpace means that |