- 223 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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Informationsstrukturen neue Möglichkeiten: unterschiedliche Informationen, wie z. B. Audio, Video, Text, Noten oder Sprache, die früher auf verschiedenen Informationsträgern gespeichert wurden, konnten nicht miteinander gekoppelt werden. Heute können sie beliebig miteinander kombiniert, dargestellt und vermittelt werden. Dabei entstehen »neue Potentiale der Rezeption und geistigen Auseinandersetzung, etwa bei der Modellbildung, der Simulation, der Konstruktion virtueller Prozesse. […] Die strukturellen Grenzen zwischen Informationsträgern, Kommunikationssystem, Ausbildungsmaterialien und virtuellen Erfahrungswelten zerfließen – zumindest in technologischer Hinsicht.«8
8[Enders(2003b), S. 123].
Diese neuen, oftmals unter dem Namen Multimedia zusammengefassten Produkte stellen wiederum aber auch bestimmte Voraussetzungen an den Rezipienten: die Fähigkeit zur Selektion und Evaluation bei der Informationsverarbeitung.9
9Diese Fähigkeiten sind allerdings bei der älteren Generation besser ausgebildet. Im Gegensatz dazu ist die junge Generation generell eher Multimedia-Angeboten gegenüber aufgeschlossen. Die noch großen Differenzen im Informationsverhalten der Generationen werden sich erst allmählich abbauen. Vgl. dazu [N.N.(1998)]. Hierbei handelt es sich um einen Auszug aus: »3. Kulturwirtschaftsbericht«, Hg. Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes NRW, August 1998.

Durch die technische, industrielle und funktionale Konvergenz10

10In [N.N.(1998)] wird vage auch von einer »Nutzer-Konvergenz« gesprochen.
ergeben sich weit reichende Veränderungen medientechnischer, gesellschaftlicher sowie rechtlicher Art. Die dadurch ausgelösten Fragen und Probleme der Formatierung, Konvertierung, Verteilung und Verwertung von Informationen sowie neuartige Formen der Verarbeitung und Präsentation des multimedialen Wissens lassen sich gerade mit geisteswissenschaftlichen, insbesondere musikwissenschaftlichen Aufgabenstellungen sehr gut demonstrieren. Dies soll im Folgenden kurz dargestellt werden.

Der deutsche Philosoph Odo Marquard geht davon aus, dass die Geisteswissenschaften allgemein, was die Schäden durch die Modernisierung der Naturwissenschaften angeht, eine kompensatorische Funktion haben.11

11Vgl. dazu [Weingart(1991)].
In seinem auf dem KlangArt-Kongress 1997 zum Thema ›Musik im virtuellen Raum‹12
12Die auf dem Kongress gehaltenen Vorträge sind alle im gleichnamigen Kongressband erschienen. Vgl. dazu [Enders und Stange-Elbe(2000)].
gehaltenen Vortrag ›Music@EncycloSpace‹ umschreibt der Musikwissenschaftler und Mathematiker Guerino Mazzola diese als »active function of orientation within the overall organisation of knowledge production«.13
13[Mazzola(2000), S. 39]

Den Geisteswissenschaften kommt also die Aufgabe zu, die immer größer werdende Wissensproduktion in gewisser Weise zu strukturieren bzw. zu organisieren und dazu Modelle zu entwickeln, denn ungeteiltes, undurchsichtiges oder unzulängliches Wissen ist und wird nie von allgemeinem Interesse sein und somit auch keinen Bestand haben. Die Weitergabe von Wissen setzt Verstehen und Begreifen voraus und dies ist nur dann der Fall, wenn das Wissen zuverlässig und gut strukturiert abrufbar und vor allem jedem prinzipiell zugänglich ist.

Mazzola betrachtet das Internet bzw. den virtuellen Raum als eine Art Weltbibliothek14

14Die Idee einer ›Weltbibliothek‹ oder eines ›knowledge spaces‹ ist nicht neu. Schon früh machte man sich Gedanken, auf welche Art und Weise das bisher gesammelte Wissen gespeichert und strukturiert werden konnte. Als Speichermedium stand damals lediglich das gedruckte Buch zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert entstanden die ersten Versuche, das gesamte Wissen in reich verzierten und mit üppigen Kupferstichen und Radierungen ausgestatteten Lexika zusammenzufassen. Als bedeutendes Beispiel sei hier das »Große(s) vollständige(s) Universallexikon aller Wissenschaften und Künstler« genannt, dass der Verleger Heinrich Zedler in den Jahren 1732–1750 herausgab. Ein weiteres Meisterwerk stellt die 35-bändige französische ›Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers‹ des Schriftstellers und Philosophen Denis Diderot dar. Diese Enzyklopädie enthält siebzehn Textbände (1751–1765), elf Tabellenbände (1751–1772) sowie 4 Ergänzungstextbände, einen Ergänzungstabellenband und zwei Registerbände und wurde im Jahr 1780 fertig gestellt. Vgl. auch Kapitel 2.3.
Auch Enders vergleicht das Internet mit einer Art digitalen Bibliothek bzw. mehr noch mit einer globalen Mediothek. Deutlich wird dies z. B. durch den Aufsatz »Musikbibliothek im Internet«. Vgl. [Enders(2003b)].
und bezeichnet ihn als ›EncycloSpace‹: »EncycloSpace means that

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