Das Internet stellt folglich die Vollendung dessen dar, was die Oper beabsichtigte
(Simulation und Dissimulation). Wo anders als im Internet kann Multimedialität besser
eingebracht werden und Sinnesleistungen kongruenter miteinander verknüpft werden?
Zudem bietet das Internet zusätzlich die Möglichkeit, den Rezipienten im Sinne
Faulstichts ›interaktiv und dialogorientiert‹ in das Geschehen einzubinden.
Ein Beispiel für ein solches interaktives und dialogorientiertes Geschehen ist Eberhard Schoeners
Projekt ›Virtopera‹26 .
In diesem wird das Internet nicht nur als globaler Raum eingebunden, sondern
vielmehr dazu genutzt, den Rezipienten aktiv an der Gestaltung teilhaben
zu lassen. Dazu Eberhard Schoener über die Idee zur Entstehung von
Virtopera:27
»Menschen die den Begriff einer offenen Gesellschaft erfüllen, sind der
Adressat von Virtopera, einer Net-work-opera-in-progress. Der virtuellen
Welt des Cold Genius wird eine Welt der Gefühle, Leidenschaften und
Humanität gegenüber gestellt. Cold Genius, diese geheimnisvolle virtuelle
Figur mit der unendlichen ›8‹ auf seiner Stirn, wird mehr und mehr zu dem,
was die User in ihm sehen. Durch sich ständiges Verwandeln ist Cold Genius
der verbindende Content und lässt so das Internet mit seinem virtuellen
Bühnenraum zu einem Platz der Mysterien werden.«
Bei dem Projekt handelt es sich nicht nur um eine reine Internetoper mit einem
computeranimierten Hauptdarsteller (Cold Genius). In der Virtopera wird eine Brücke
zwischen virtueller und realer Welt geschlagen. Die Figur ›Cold Genius‹ hoffte, »das
Geheimnis des Lebens zu erfahren«. Und dies geschah live an vier verschiedenen Orten,
an denen ein Teil der Oper aufgeführt wurde. So in Italien (Mantua Palazzo Te am 8.
Oktober 2000, ›Das Symposium der Liebe‹), Brasilien (Salvador da Bahia am 15.
November 2000, ›Das Symposium der Magie‹), Indien (Kalkutta am 5. Dezember 2000,
›Das Symposium der Spiritualität‹) und in Deutschland (Köln am 12. Januar 2001, ›Am
Ende der Reisen, stellt sich heraus, ob die Begegnungen mit den Menschen und
ihren kulturellen Mythen die Träume und Sehnsüchte von Cold Genius erfüllen
können.‹). Bei jedem Live-Event brach Cold Genius aus seiner virtuellen Welt des
Internets aus, um Kontakt zur realen Welt aufzunehmen. Das Internet spielte dabei
die Hauptrolle mit seinen virtuellen Möglichkeiten, der virtuellen Figur ›Cold
Genius‹ sowie seinen unendlichen Möglichkeiten. Schläbitz schreibt in Bezug auf
›Virtopera‹:28
»Es geht somit um Kontextualisierung von Daten in einem strukturellen Feld des De-Linearen,
die im Dialog gestaltet werden. Von Vernetzung oder auch vom Hypertext mag man sprechen,
der streuen kann in alle Richtungen.« Neben ›Virtopera‹ existieren noch einige weitere
Projekte29 ,
die in diese Richtung zielen.
Anhand dieser Projekte wird deutlich, dass das Internet, wie bereits erwähnt, die
Vollendung dessen darstellt, was die traditionelle Oper beabsichtigte, nämlich Simulation
und Dissimulation. Die traditionelle Oper als solche kann ebenfalls als |