| | blickte, fand eine melancholische Prosa, einen
abgehetzten Elektroniktechniker, sieben von Arbeitern ständig geheizte Öfen, welche die
Temperatur von 16 Grad Réaumur hervorbringen und unterhalten mußten, und dazu die
riesigen von der blauen Grotte verschlungenen Summen […]«. Um die großen Gefühle
entstehen zu lassen, musste damals wie heute ein enormer technischer Aufwand
betrieben werden. Alles in allem stellt die Oper ein hochartifizielles, multimediales
Geschehen dar, welches gerade um seiner Künstlichkeit willen mit allen Sinnen
aufgesogen wird.
Multimedial in diesem Sinne sind natürlich auch Film und Fernsehen (vgl. dazu
Abschnitt 5.2 und 5.3). Trotz der Einheit von Text, Bild und Ton hat sich
der Begriff ›Multimedia‹ aber erst im Computerzeitalter durchgesetzt. Nach
Faulstich21
definiert sich der Begriff ›Multimedia‹ »durch zweierlei: erstens durch die Verbindung
von Text, Grafik, Ton, Bild, Animation […] als neuem Informationsangebot, zweitens
durch die Dialogstruktur, die dem Benutzer die Interaktion erlaubt, die aktive
Teilnahme.«
Aktiv teilnehmen kann ein Besucher einer (traditionellen) Oper zwar noch
nicht, aber die Verbindung der unterschiedlichen Elemente zu einem neuen
Informationsangebot ist durchaus vorhanden. Vernachlässigt man den zweiten
›interaktiv dialogischen Aspekt‹ Faulstichs, so ist jede Oper als multimediales, im
Adornoschen Sinne ›verfranstes‹ Medium zu verstehen. Faulstich definiert ein
Vorläufermedium22
Er nimmt hierbei Bezug auf Flugsimulatoren und Animationen Ende der 70er, Anfang der 80er
Jahre.
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des
Computers wie folgt:23
»Virtuelle Realität, Simulation von Wirklichkeit, Auflösung der Grenzen zwischen Wirklichkeit
und Fiktion (Hypermedia)«. Auch in diesem Sinne ist die Oper ein direkter Vorläufer von
Multimedia:24
»Wie anders denn als Vorläufer von Multimedia ist die Oper zu denken, die mit ihren
spezifischen ›special effects‹ arbeitet, wenn mit dem Opernhaus eigens ein Ort zum
persönlichen Einbinden ins Geschehen geschaffen wird, der die Außenwelt vergessen
lässt.«
Schläbitz versteht das multimediale Phänomen ›Oper‹ auch als Vorläufer der multimedialen Kunst
im Internet:25
»So erscheint es heute auch nur logisch, wenn die multimediale Oper –
abgelöst von allen natürlich scheinenden Prozessen – der multimedialen
Kunst im Internet den Weg weist. […] Die Geschichte der Oper ist von Anfang
an von Simulationsversuchen nur so durchdrungen. Sie suchte umfassend
zu simulieren und eine eigene Welt zu verwirklichen (dissimulieren). Die
bedingte Welt setzt diesen Simulationsbemühungen ihre materiellen Grenzen
entgegen. Die Bemühungen der Oper zu gestalten, was nicht ist, und das
›Nicht‹ als das der Welt der Dinge Nichtähnliche so wahrnehmen zu lassen,
als ob es doch ist, lesen sich in der Nachbetrachtung wie ein Versprechen, das
mit dem unbedingten Internet und den grenzenlos scheinenden Welten seine
eigentliche Erfüllung findet. Dies gilt umso mehr, sobald die Flächenwelt
von Monitoren verlassen wird und Kalkulationswelten in den Raum
hinaustreten.«
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