- 108 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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die den psychogalvanischen Hautreflex messen und Spannungsdifferenzen als Impuls weiterleiten, werden die verschiedenen Licht- und Klangereignisse beeinflusst. Der menschliche Körper fungiert gemeinsam mit dem Computer als Mittler für die Synthese aus Klang und Licht. Im Zeitalter von Kognitionswissenschaften, KI-Studiengängen, der Entwicklung von Biochips etc. stellt sich die Frage, wie weit diese Entwicklung noch vorangetrieben wird bzw. ob irgendwann die Grenze des Machbaren erreicht wird. Ob es dann immer noch eine Abstraktion vom Materiellen gibt, die nicht in Zahlschemata zu pressen ist, steht in den Sternen.

Neben diesen grenzüberschreitenden Versuchen im letzten Jahrhundert existiert sogar eine schon viel ältere Gattung der Musik, in der Multi- bzw. Hypermedia schon wesentlich früher eine Rolle spielt: die Oper.

Nach Dechant15

15Vgl. dazu [Dechant(1993), S. 7].
setzt sich jede Oper aus Bühnendichtung, musikalischer Komposition, szenischer Interpretation, musikalischer Interpretation, Bühnenbildnerei, Kostümkunst, Schauspiel- und Tanzkunst zusammen. Die Oper ist nichts anderes als ein Konglomerat aus Bild, Musik und Text, das gleichermaßen alle Sinne affiziert. In Hinblick auf das Geburtsjahr der Oper schreibt Werner Oehlmann:16
16[Oehlmann(1984), S. 15].
»[I]m Jahr 1598 wurde in Florenz Jacopo Peris ›Dafne‹ aufgeführt, die von der Musikgeschichte einhellig als erstes Werk der neuen Gattung genannt wird: ein Spiel mythisch-antikisierenden Inhalts, in welchem die Sprache durchweg Gesang geworden ist; ein theatralisches Kunstwerk, in dem Dichtung, Musik, Tanz und szenisches Bild zu vollkommener, ausgewogener Einheit verschmolzen sind.« In »The New Grove – Dictionary of Music & Musicians« ist unter dem Schlagwort Oper folgendes zu lesen:17
17[Sadie(1980), S. 544f.].
»Opera is the union of music, drama and spectacle […] Opera is perhaps the most elaborate of art forms, and may call on the united skills of poet, composer, designer and (often) choreographer to create a ›complete art work‹ (Gesamtkunstwerk, to use Wagner’s term).«

In Bezug auf die Krise dieses Gesamtkunstwerkes Oper in den 60er Jahren schreibt Adorno:18

18[Adorno(1997), S. 411].
»In der jüngsten Entwicklung fließen die Grenzen zwischen den Kunstgattungen in einander oder, genauer: ihre Demarkationslinien verfransen sich.« Adorno sieht die Zukunft der Einzelkünste in ihrem Zusammenwirken wobei sich in der ›Verfransung‹ die einzelnen Kunstgattungen aufheben. Dieser von Adorno gewählte Begriff ›Verfransung‹ lässt sich auch mit ›Multimediallität‹ übersetzen: Überschneidungen, »Verfransungen« jeder Art zwischen Text, Bild und Ton sind hier in der Oper allgegenwärtig. Durch die Multimedialität wird eine simulierte und somit zugleich virtuelle Wirklichkeit geschaffen, in der man sich als Zuschauer19
19Das Wort ›Zuschauer‹ kann in Bezug auf die Oper nicht mehr als treffend angesehen werden, da er mehr als die visuelle Ebene wahrnimmt.
von der ›wirklichen‹ Welt distanzieren und in eine Traumwelt eintauchen kann. Damit dem Besucher dieses Eintauchen erleichtert wird, waren schon früher die Spielstätten Orte ausgefeiltester Technik:20
20Luise von Kobell, Gattin des Kabinett-Sekräters August von Eisenhart von Ludwig II. in Bezug auf eine mit großem Aufwand geleisteten Tannhäuser-Inszenierung. Zitiert nach [Wapnewski(1983), S. 113f.].
»Wer aber hinter die Kulissen

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