- 107 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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Bei Withneys Filmen erscheinen oft, in Anlehnung an Schönbergs Zwölftontechnik, die sie sehr bewunderten, abstrakte durch Licht und Schablonen erzeugte Welten aus Farben, Punkten, Kreisen, Recht- und Dreiecken in Spiegelungen, Augmentationen, Diminutionen, Engführungen, Kontrapunktierungen etc. Eine weitere Entwicklung der Withneys war ein Infraschallinstrument, das über einen sektorförmigen Lichtspalt Sinusschwingungen von Pendeln auf die Lichttonspur eines Films übertrug.

Im Zeitalter der Digitalisierung erscheinen diese Synchronisationsversuche fast wie ein Kinderspiel, da doch fast jeder Videoclip vollkommen synchron zur Musik geschnitten ist.10

10Diese unfilmische Schnittechnik lässt sich leicht verdeutlichen, indem man einen Videoclip ohne die Musik betrachtet.
Allerdings ist auch hier der Trend zu erkennen, dass die Clips inzwischen den schon früh eigene Wege gegangenen künstlerischen audiovisuellen Produktionen folgten.11
11Hiermit soll allerdings die Qualität der Videoclips i.A. nicht herabgestuft werden. Neben vielen Clips, bei denen man wohl eher nicht von ›Kunst‹ sprechen kann, gibt es doch einige, die sich sofort als ›künstlerisch wertvoll‹ einstufen lassen.
Diese sind nämlich wesentlich vom radikalen Prinzip einer gemeinsamen Strukturformel abgerückt. Betrachtet man die avantgardistischen Versuche aber aus dem Umfeld der damaligen technischen Möglichkeiten, so lässt sich feststellen, dass es sich bei ihnen um wahre Meisterwerke handelt, da man mit ihnen doch bis an die Grenzen der Realisierungsmöglichkeit gegangen ist. Darüber hinaus kann man sie als Wegbereiter vieler Techniken, die heute zum Standard geworden sind, ansehen. Fast könnte einem der Gedanke kommen, dass vor den technischen Lösungsmöglichkeiten die es heute für eine Synchronisation verschiedener Medien gibt, dieses Kapitel aus künstlerischer Sicht bereits abgeschlossen wurde.

Später rückte man immer mehr davon ab, visuelle und akustische Schicht einer gleichen Strukturformel unterzuordnen. Vielmehr ging es um die Interpretation einer Schicht durch die andere oder um die Addition zweier Schichten, die zusammen etwas vollkommen Neues ergaben. 1972 nutze der Künstler Nam June Paik einen der ersten Videosynthesizer, an dessen Entwicklung er selbst beteiligt war, dazu, den letzten Satz von Beethovens 4. Klavierkonzert zu bebildern.12

12Bei Nam June Paiks »Electronic Opera ›Nr. 2‹« vermischen sich abstrakte Bilder und Muster mit Aufnahmen der Musiker und des Dirigenten. In den Schluss des Videos schneidet Park einen verbrennenden Spielzeugflügel.
Heute sind die Synchronisationsmöglichkeiten soweit vorangeschritten, dass man eine komplette Bühnen- oder Multimediashow mit Sound-, Video-, Bild-, und Textprojektionen, Lichtanlage, MIDI-Flügel, ja sogar mit Feuerwerk über ein einziges Notebook steuern kann.

In den 90ern wurde der Ansatz der Synchronisation dahingehend weiterentwickelt, dass man sich überlegte, wie sich verschiedene Medien wechselseitig steuern und kombinieren lassen. Hier seien beispielsweise die Künstler Iannis Xenakis13

13Das von ihm entwickelte UPIC System ermöglichte es ihm, Klänge unmittelbar aus Zeichnungen und Grafiken ableiten und erklingen zu lassen.
oder Bob Ostertag14
14Er widmete sich vor allem der Steuerung von Musik im Computer durch Lichtimpulse, die er mit kleinen Stäbchen aussendete.
erwähnt. Einen Schritt weiter geht Andrea Sodomka, indem sie den Menschen als Zwischenstufe mit einbezieht. Mit Hilfe von Biofeedbackgeräten,

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