- 35 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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trüge die Schicht ein Vielfaches seines Gewichts, jedoch bricht das Eis, und das Kind ertrinkt. Visarius stellt fest: »So schlüssig, so lakonisch, so folgerichtig Kies lowskis Dekalog-Filme erzählt sind, so wenig Raum sie den Alternativen der Phantasie lassen, so sehr bewegen sie sich zugleich auf dem brüchigen Eis all jener unabsehbaren Möglichkeiten, die unser Handeln jedesmal eröffnet. Der Dekalog beschwört nicht die Leichtigkeit des Seins, sondern das Gewicht des Tuns.«13
13 (Visarius, 1990, S. 43)

Kies lowski selber gibt keine vereinfachten, moralischen Antworten auf die im Film aufgeworfenen Fragen oder Probleme. Es geht um Menschen, die sich in gewissen Bereichen ihres Lebens einsam und unsicher fühlen, um Personen, die sich nach Fröhlichkeit und nach einem Zugehörigkeitsgefühl sehnen. Das Gefühl, das Bestmögliche getan zu haben, erreichen sie allerdings nicht. Oft scheitern sie oder müssen, um erfolgreich zu sein, einen hohen, schmerzhaften Preis bezahlen. »Decalogue is an attempt to narrate ten stories about ten or twenty individuals, who – caught in a struggle, precisely because of these and not other circumstances, circumstances which are fictitious but which could occur in every life – suddenly realize that they’re going round and round in circles, that they’re not achieving what they want.«14

14 (Stok, 1993, S. 145)

Wie im weiteren Verlauf der Arbeit noch gezeigt wird, steht der Dekalog in engem Bezug zur Trilogie. In vieler Hinsicht werden hier schon gewisse Themen wie z.B. die Bedeutung von Einsamkeit, nicht funktionierende Familien, die Wichtigkeit der Liebe und die Art und Weise, wie Kies lowski unerwartete Beziehungen zwischen seinen Charakteren schafft, antizipiert. Im Nachhinein betrachtet, stellt schon die erste Einstellung des Dekalog 1 eine Beziehung zwischen den einzelnen Filmen her. Die Kamera zeigt eine triste graue Warschauer Wohnblocksiedlung und fährt an einer Fensterfront hoch. Hinter jedem Fenster dieser unendlich groß erscheinenden Trabantenstadt verbirgt sich ein privates, individuelles Schicksal, von denen uns Kies
 lowski einige zeigt. Er betrachtet sie allerdings nicht einzeln, sondern schafft, durch die Personen, die sich immer wieder über den Weg laufen, eine Art Mikrokosmos. Einer Person kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu. Es ist eine Person, die im Drehbuch immer als »young man« bezeichnet wird. Diese Person taucht, außer in Dekalog 7 und Dekalog 10, in jedem Film auf. »I don’t know who he is; just a guy who comes and watches. He watches us, our lives. He’s not very pleased with us. He comes watches and walks on . . . He doesn’t have any influence on what’s happening, but he’s a sort of sign or warning to those he watches, if they notice him . . . the character whom some called the angel . . . «, wird Kies lowski in (Stok1993, S. 158) wiedergegeben.

Zu Kies lowskis Film Die zwei Leben der Veronika schreibt der Co-Autor Krzysztof Piesiewicz: »In Die zwei Leben der Veronika (La Double vie de Véronique) schweben wir ein wenig über der Realtät. Wir wollten in Richtung Metaphysik gehen. Vielleicht haben wir unser Ziel nicht erreicht. Die zwei Leben der Veronika ist ein Film über die Nostalgie und die Nostalgie findet sich in jedem von uns. Das alles hat mit einer verloren gegangenen Welt zu tun, und unserer Nostalgie dafür.«15

15 Piesiewicz, zit. nach dem Presseheft zu Weiss; herausgegeben vom Concorde Filmverleih, München


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