- 34 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Trotzdem ist es nicht von der Hand zu weisen, dass auch in späteren Filmen wie z.B. im Dekalog politische oder gesellschaftliche Motive – also Momente der »äußeren Welt« – weiterhin, wenn auch nur nebensächlich, vorhanden sind. Dazu Geoff Andrew: »Keeping the political realities of contemporary Polish life in the background, the aim was to focus on the ›internal lifes‹ of the various protagonists –. . . «7

7 (Andrew1998, S. 17)
. Zu dem Film Ohne Ende schreibt Leonard Quart: »Krzysztof Kies lowski’s No End is a sombre, spare film about the difficulty of moral surviving in a post-Solidarity Poland under martial law.«8
8 Quart (1988)
Auch in Drei Farben: Weiss, dessen zweiter Teil in Polen spielt, sind diese Motive vorhanden. »Als wir das Buch zu Weiss schrieben, dachten wir uns, dass es vielleicht an der Zeit wäre, vom Wahnsinn unserer polnischen Realität zu erzählen«, zitiert Franz Ulrich den Co-Autor Piesiewicz in (Ulrich1994, S. 32). Umgekehrt ist schon in Filmen vor 1981 ein verstärktes Interesse Kies lowskis an der »inneren Welt« seiner Protagonisten zu finden, so z.B. in Talking Heads oder in Vom Standpunkt eines Nachtwächters, dessen Titel dieses Interesse bereits zum Ausdruck bringt.

Im Film Ohne Ende erweitert Kies lowski die Handlung um eine transzendentale, metaphysische Ebene: Die Witwe eines Rechtsanwalts, der, kurz bevor er stirbt, gerade die Verteidigung eines dem Kriegsrecht zum Opfer gefallenen jungen Arbeiters vorbereitet, wird schrittweise in den Kampf, diesen Menschen vor der Willkür der Autoritäten zu retten, verwickelt. Ihre Bemühungen resultieren allerdings nicht aus wachsender politischer Verpflichtung. Vielmehr wird sie dazu durch den Geist ihres verstorbenen Mannes, der nur für das Publikum sichtbar über ihrer Einsamkeit wacht, angespornt. Unfähig ihr Leid zu (er-)tragen, begeht die Witwe am Ende des Films Selbstmord, um bei ihrem geliebten Mann zu sein.9

9 In Zusammenhang mit diesem Film berichtet Andrew in (Andrew1998, S. 16): ». . . , the director was equally fascinated by the metaphysical and emotional aspects of the story.«
So offensichtlich personifiziert treten übernatürliche Phänomene in den weiteren Filmen Kies lowskis nicht wieder auf, jedoch ist die transzendentale Ebene in allen folgenden Filmen latent vorhanden. So merkt z.B. Andreas Kilb zur Figur des Puppenspielers in Die zwei Leben der Veronika ironisch an: »Daß er die Metaphysik bemühen muß, um jene schlichte Botschaft zu verkünden, ist der eigentliche Witz dieses Films«10
10 Kilb (1991)
, und zur Figur des Richters in Rot schreibt Josef Schnelle: »Der alte Richter, der der Welt ihr Leid ablauscht, und es damit auf sich nimmt, das ist wieder eine moderne Erlöserfigur, durch deren Augen wir unsere Welt neu sehen lernen können – eine typische Kies lowski-Figur, . . . «11
11 Schnelle (1994a)

Im Dekalog geht es um die Bewohner eines Warschauer Wohnblocks, die alltägliche Entscheidungen12

12 »It has to do with concrete everyday decissions«, berichtet Kies lowski in (Stok1993, S. 149).
treffen müssen, da sie in verschiedene ethische oder emotionale Konflikte verwickelt sind, die auf diese oder jene Art und Weise in Verbindung mit den 10 Geboten stehen. Die Folgen dieser Entscheidungen entziehen sich jeglicher Einschätzbarkeit oder Berechnung. So berechnen Vater und Sohn im Dekalog 1 die Dicke des Eises, auf dem das Kind Schlittschuh laufen will. Nach ihren Berechnungen

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