- 90 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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Reste narrativer Strukturen, eines Rahmens, einer Form sind demnach bei den Videoclips auch hinsichtlich ihrer Bilderwelt vorhanden, wenn auch nur mehr rudimentär und weniger als dies z. B. beim konventionellen Film der Fall ist.

Andrew Goodwin kritisiert die postmoderne Sichtweise von MTV in dem Aufsatz MTV Meets Postmodern Theory. Zwar räumt er ein, daß einige Aspekte der postmodernen Interpretation zutreffend seien, daneben gebe es aber andere Aspekte, die in bezug auf MTV gleichermaßen wichtig seien und durch die Konzentration vieler Autoren auf das Verhältnis Postmoderne-MTV übersehen würden. Darüber hinaus vertritt Goodwin die Ansicht, daß die postmoderne Interpretation empirisch betrachtet nicht haltbar ist (vgl. Goodwin 1993, 46). Für kritikwürdig hält der Autor die Vernachlässigung der Musik innerhalb des postmodernen Diskurses über MTV, was vor allem darauf beruhe, daß die Kategorien der Analyse auf Filmstudien aufbauten und nicht berücksichtigt werde, auf welche Art sich die Musik im Vergleich zum Film an den Adressaten richte. »For instance, pop songs are often performed through a direct and /or first-person mode of address thus breaking with the illusionism of the ›fourth wall‹ of naturalistic cinema and television. (...) Reading the postmodern accounts which celebrates the fragmentary visual discourses of MTV, one might never notice that its soundtrack is organised around regimes of repetition and tonality that are highly ordered and predictable« (ebd., 47).

Die teilweise wirre Bilderwelt der Videoclips kann somit vielleicht nur deshalb diskontinuierlich sein, weil durch die organisierte, festgelegte Form der Musik, bereits eine Struktur des Videos gegeben ist. Goodwin kritisiert Kaplan, die Filmtheorie und postmoderne Theorie bei der Klassifikation von Musikvideos benutzt habe, was zu keinen überzeugenden Ergebnissen führen könne. Als Beispiel nennt er ihre Einordnung des »Van-Halen«-Videos »Jump« als einen »nihilistic text«, dessen Ziel es sei, zu schockieren und soziale Normen zu verletzen. Kaplan komme zu dieser Einstufung nur durch die Analyse der Bilderwelt, ohne sich auf die Musik, den Text des Songs oder die Darsteller/Band zu beziehen, was zu einem anderen Analyseergebnis dieses Videoclips hätte führen müssen (vgl. ebd., 48).

Goodwin kritisiert überdies die ahistorische Sichtweise der akademischen Literatur MTV betreffend, die den Sender so beschreibe, als weise er eine sich niemals verändernde Form auf, deren augenscheinlichstes Merkmal in den Differenzen gegenüber dem gewöhnlichen Fernsehen bestehe. Die Entwicklungen des Programms bei MTV wie personale Veränderungen oder sich ändernde Besitzverhältnisse würden nicht zur Kenntnis genommen, obwohl klar sei, daß Änderungen des MTV-Kontextes hieraus resultierten (vgl. ebd.). Goodwin unterscheidet drei Phasen innerhalb der Entwicklungsgeschichte von MTV, die mit den zunehmend erfolgreicheren Anstrengungen des Senders verknüpft sind, sich gleichermaßen mit den Plattenfirmen und den Werbekunden zu verbünden. In der ersten Phase führte der Bedarf an visuell auffälligen, sich in der Erinnerung der Zuschauer festsetzender Videoclips, zu einem verstärkten Rückgriff auf Videos aus Großbritannien. Meist handelte es sich dabei um Vertreter der Stilart ›Synthi-Pop‹, ein Musikstil der zur damaligen Zeit sehr populär war und sich aufgrund der Betonung von ›style‹ und einer gewissen Künstlichkeit Goodwin zufolge sehr gut dazu eignete, durch Videos promotet zu werden. Vertreter dieser Stilrichtung waren u. a. Duran Duran, Culture Club, Wham!, The Human League und The Thompson Twins.


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