- 88 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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»So ist es auch bei der Aufnahme digitaler CDs: je höher die Sampling-Rate, desto genauer ist die Wiedergabe. Für ein Video bedeutet das, daß eine größere Zahl von Bildinhalten mit einer musikalischen Phrase verbunden wird. Das kann dadurch erreicht werden, daß die Zahl der Schnitte pro Sekunde erhöht wird, oder durch das Überlappen von Bildern, das Aufspalten von Bildschirmen in verschiedene Teile und das Zeigen von Bildschirmen auf Bildschirmen« (ebd., 138).

Nach Meinung des Autors sind gerade die Folgerungen aus dieser Technik und dem damit verbundenen Stil wichtig, da sie den Kern der MTV-Ideologie betreffen: Zeitlosigkeit und ewige Jugend.

Betrachtet der interessierte Beobachter jene Werbespots, die auf MTV ausgestrahlt werden, kann er meiner Auffassung nach feststellen, daß ein großer Teil der Werbung eine ähnliche Technik und Stilistik aufweist wie die Videos selbst, sich hierin –zumindest partiell – von anderen Werbespots die beispielsweise auf SAT 1 oder RTL plus gesendet werden, unterscheidet. Der Grund hierfür scheint klar zu sein: Eine andere Zielgruppe erfordert andere Werbemethoden.

Bilder von Weltereignissen aus mehreren Jahren können in einem einzigen Video in schnellen Bildfolgen betrachtet werden, diese Sampling-Technik bringt Geschichte in einem einzigen Moment zusammen. »Ebenso wie die globalen Wettersysteme seit der Einführung der Satellitentechnik für uns einen Sinn ergeben, können historische Muster durch die Medien und ihre Bearbeitung in einer neuen Perspektive gesehen werden. (...) Die Band und die MTV-Zuschauer sind von der linearen sequentiellen Ereignisgeschichte befreit und, jedenfalls nach Jesus Jones, damit von den Konflikten und dem Blutvergießen, die mit den historischen Kämpfen verbunden sind« (ebd., 139).

Nach Rushkoff besteht hierin die »MTV-Revolution«: der umfassende Bruch mit der Geschichte, mit den Eltern, der Schule, der Arbeit, Alltagswirklichkeit wird ebenso erfaßt wie ethnische Herkunft und soziale Unterdrückung, gespeist wird die »Revolution« von einer »Verherrlichung der Diskontinuität als Gelegenheit für plötzliche Veränderungen. (. . . ) Sogar die Popstars selbst scheinen Diskontinuität aufzuweisen, indem sie sich von einer kulturellen Ikone in eine andere verwandeln« (ebd., 139f.).

Insgesamt können Rushkoffs Ausführungen zwar kritisiert werden, weil der Autor nur bestimmte, wenn auch wichtige Aspekte der »MTV-Realität« herausgreift – vielleicht auch, um seine Theorie der »Medienviren« zu untermauern – und diese in der Folge als einzige, zentrale Mechanismen erscheinen. Trotzdem liefert die Beschreibung und Analyse von MTV durch Rushkoff einen recht guten Eindruck von der Ästhetik der Bilderwelt des Senders. Rushkoffs Sichtweise scheint tendenziell der von einigen anderen Autoren vertretenen Ansicht zu entsprechen, die das Konzept von MTV in die Nähe der Postmoderne rücken/als postmodernes Phänomen begreifen. Eine Vertreterin dieser Gruppe ist E. Ann Kaplan, Verfasserin des Buches Rocking around the clock: music televison, postmodernism and consumer culture. Kaplan greift auf Baudrillard zurück, der die Auffassung vertritt, der Fernsehapparat manifestiere eine neue Stufe des Bewußtseins, die er als »Universum der Kommunikation« bezeichnet, in dem es nur noch »Simulation« gibt; außerhalb davon gäbe es nichts »Wirkliches« mehr. Das bedeutet den Wegfall der


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