werden (vgl.
Reetze 1989, 99). Die Geschichte der visuellen Präsentation von Musik wurde später
durch die Integration von Musiksendungen in das Fernsehprogramm fortgeschrieben.
Nach Reetze liegt die Wurzel heutiger Videoclips (diese Bezeichnung wird Reetze zufolge
nur im deutschsprachigen Raum verwandt) im Werbespot. Nicht zufällig hießen
Videoclips in den USA und in Großbritannien »Promotional Videos« (vgl. ebd.). Ähnlich
äußert sich Rushkoff:
»Da es im Unterschied zum traditionellen Fernsehen nicht Zweck dieser
Videos ist, Geschichten zu erzählen, sondern eine Band zu vermarkten,
erinnerten MTV-Videos eher an Werbespots als an Kurzfilme und erhielten
die Form von Bildfolgen, die die Erfahrung eines Songs zerstückelten. Das
Ziel eines guten Rock-Videos ist es, Symbole, Totems oder gar Meme zu
erzeugen, in denen sich die Welt der Musik des Interpreten widerspiegelt –
oder zumindest die zusammen mit der Musik verkaufte Weltsicht« (Rushkoff
1995, 132).
Meines Erachtens erfüllen Musikvideos bei MTV eine doppelte Werbefunktion: Zum
einen für den/die betreffenden Interpreten bzw. deren Tonträger; zum anderen für die
Produkte der Werbekunden, da durch die Präsentation der Videoclips eine
bestimmte Zielgruppe vor dem Bildschirm versammelt wird, die neben den
Musikvideos auch die Werbespots der Konsumgüterindustrie anschauen. MTV
finanziert durch die Werbeeinnahmen den Sendebetrieb und erzielt darüber hinaus
Gewinn.
Im Unterschied zu traditionellen Medien erzeugt MTV nach Rushkoff eine ästhetische Welt – keine
narrative.13
13 Die Ausführungen von Rushkoff (1995), isb. das Kapitel »Die MTV-Revolution«,
werden für die folgenden Erörterungen hinsichtlich der inhaltlichen und ästhetischen
Komponenten von MTV näher erläutert.
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Der Zuschauer sieht nur eine Abfolge von Bildern, keinen Bildfluß. Musikvideos
haben ein offenes Ende; in ihrer alternativen Welt ist das Bild die Wirklichkeit.
Traditionelle Grenzen, wie zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Figur und
Darstellung, verlieren ihre Gültigkeit. Videokünstler interpretieren die Geschichte/den
Text eines Songs häufig nicht wörtlich; sie fühlen sich dazu in keiner Weise
verpflichtet.
»Es sind die gefilmten Bilder, die – abgesehen vom finanziellen Spareffekt
– den Videos ihren ›offenen‹ Charakter verleihen, und nicht das, was in
den Songs erzählt wird. Die meisten Rock-Videos wollen nicht Kurzfilme
mit Anfang, Mittelteil und Ende sein, sondern beanspruchen statt dessen
ungeteilte Bedeutung, die durch eine visuelle Collage erzielt wird« (ebd.,
133).
Die Aufgabe der Videos besteht in der Erzielung einer bestimmten Ästhetik oder
Stimmung, die den Stil des Künstlers, die Aussage des Songs abbilden soll. Rushkoff
zufolge entscheidet nicht das, was in einem Video passiert, darüber, ob das Video
oder der Künstler dem Rezipienten in Erinnerung bleiben wird, sondern wie es
aussieht. Er führt als Beispiel Peter Gabriels Video »Sledgehammer« von 1980 an,
bei dem eine Knetfiguren-Animation eingesetzt wurde, die es ermöglichte, das
Gesicht des Interpreten beim Singen des Songs zu verformen, »wodurch für den
Song eher eine Umgebung als eine Geschichte erzeugt wurde« (ebd., 133). Das
zeigt auch etwas anderes: Animationen oder andere Tricktechniken wie z. B.
Morphing
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