- 83 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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Für den Aufbau eines Musikkanals sprach laut John A. Lack, Vizepräsident für Marketing und Programmgestaltung, dessen »brain child« MTV war und der in der Anfangsphase des Senders eine wichtige Rolle spielte, vor allem dessen ökonomische Rentabilität (vgl. Denisoff 1990, 48). Da Radiostationen, die überwiegend Rock- und Popmusik sendeten, neue »acts« eher vermieden, um keine Hörer zu verlieren und aus diesem Grund überwiegend Musik von etablierten Bands wie z. B. ›Led Zeppelin‹ spielten (sogenannter »Classic-Rock«), wurde es für die Schallplattenindustrie schwer, neue Künstler am Markt durchzusetzen. MTV könnte bei der Veränderung dieser Situation eine Schlüsselrolle spielen. Ein weiteres Argument für den Sender sah Lack darin, daß MTV für Werbekunden wichtig sein wird, da deren Produktwerbung in besonderem Ausmaß eine junge Zielgruppe erreichen würde, was im Fernsehen sonst selten oder gar nicht der Fall war (vgl. ebd., 49). Auf die Frage, was denn den sicheren Erfolg eines solchen Musiksenders ausmachen könnte, obwohl alle bisherigen Versuche dieser Art fehlgeschlagen seien, entgegneten Lack und Pittman, daß der Grund, warum Rockmusik im Fernsehen nie besonders erfolgreich war, primär auf die Form der Präsentation zurückzuführen gewesen sei. »It dawned on us that the reason rock music never worked on TV was that forms were inconsistent,« Pittman said: ›The live concerts, the show, the dance shows, they looked out of place no matter how good the group was. So we shifted our emphasis. We realized we needed a new form‹ (ebd.).

Die Idee, die hinter der Konzeption von MTV stand, war die einer visuellen Radiostation. Der Kanal sollte 24 Stunden pro Tag Videoclips und Werbung ausstrahlen, wobei hinsichtlich der Videos die Plattenfirmen eine der Quellen sein sollten, woraus das Programm zu bestreiten wäre. Der Chef von MTV, Schneider, erwartete von den Plattenfirmen und Künstlern, daß sendefähiges Material MTV kostenlos zur Verfügung gestellt würde, wie das auch bei Radios der Fall sei (vgl. ebd., 51).

Bis zum Entstehen von MTV wurden Videoclips nur für den Markt im Ausland produziert. So belief sich die Anzahl der produzierten Clips auf etwa 15–20 pro Monat. Um den Plattenfirmen die teure Produktion von zusätzlichen Videos schmackhaft zu machen, verwiesen die Macher von MTV auf den zu erwartenden Werbeeffekt, vor allem auch für neue Bands und Interpreten. Pittman erklärte, daß MTV als Medium eher Radio als Fernsehen sei, da es sich in erster Linie an die Ohren des Zuschauers wende (ebd., 52). Das bedeutet letztendlich, daß MTV genau wie das Radio als Hintergrundmedium verwendet werden kann.

Trotz all dieser Argumente war die Überzeugungsarbeit für MTV nicht leicht. »Explaining the MTV concept was a Herculean task. The press coverage helped, but advertisers and record companies were hesitant« (ebd.). Neben den Labels, von denen MTV die Videoclips kostenlos erhalten wollte, mußten auch die Werbekunden und die Betreiber der Kabelnetze überzeugt werden. Zwei der großen Plattenkonzerne, MCA und Polygram, bestanden anfänglich auf einer Bezahlung der Videoclips, die sie allerdings im Widerspruch hierzu kostenlos an Programme ins Ausland lieferten. Generell gab es einige Stimmen innerhalb der Tonträgerbranche, die den »free service« in Frage stellten. Auch das Interesse an MTV als Werbemedium war anfangs nicht sehr hoch. Als der Kanal am 1. August 1981 auf Sendung ging, waren nur dreißig Prozent der Werbeplätze von Firmen gebucht (vgl. ebd.).


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