- 77 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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können Haushalte, die an das Kabelnetz angeschlossen sind, bereits Pay-radio-Angebote wahrnehmen. »Ein ›neues Zeitalter‹ sehen das Unternehmen Music Choice Europe (MCE) und die deutsche Telekom für Kabel-Kunden kommen. Frankfurt ist bundesweit das erste größte Kabelnetz, in das MCE 44 Musikkanäle einspeist. Das Angebot sei ›kein herkömmliches Radio‹, sagte Programmdirektor Heller bei der Präsentation des Produkts. Rund um die Uhr wird Musik gesendet – ohne Unterbrechungen für Moderationen, Nachrichten oder Werbung. Jeder Kanal ist einer Musikfarbe vorbehalten. Das Angebot reicht von klassischer Musik über Schlager und Volksmusik bis hin zu Rock, Pop und Techno (...) Im Frankfurter Netz sind 390.000 Haushalte angeschlossen. MCE, das den Konzernen Warner, Sony und EMI gehört, will bis zum Jahresende zwei bis drei Prozent der Haushalte als Kunden gewinnen. Das Abonnement kostet inklusive der notwendigen Fernbedienung einmalig 195 Mark. Pro Monat fallen zudem 22 Mark Gebühren an« (Frankfurter Rundschau Nr. 65, 1996, 20).

Im letzten Abschnitt dieses Teilkapitels werde ich versuchen, ein paar mögliche Antworten auf die Frage zu geben, wie sich das Musikleben und der Musikmarkt bzw. die Radiolandschaft bei Einführung des digitalen Rundfunks ausgehend von den bisherigen Kenntnissen ändern könnte.

Im Zuge der Digitalisierung wird sich die Frequenzkapazität erhöhen (vgl. Breunig 1995, 464). Diese wird zu einer massiven Zunahme des Programmangebots und zur Entstehung neuer Programmformen wie z. B. Pay-radio führen. Die neuen Programme werden überwiegend von privaten Anbietern realisiert werden, die aufgrund der Abhängigkeit von Werbeeinnahmen freiwillig sehr wenige oder gar keine Sendungen für musikalische Minderheiten machen werden. Umgekehrt steht zu befürchten, daß sich einige Programme der öffentlich-rechtlichen Sender im Kampf um Einschaltquoten dem Angebot der erfolgreichsten privaten Sender angleichen werden, wie dies seit Einführung der dualen Rundfunkordnung schon teilweise beobachtet werden konnte. So besteht z. B. in Hessen zwischen dem öffentlich-rechtlichen Programm HR 3 und dem Programm des Privatradios FFH kaum ein Unterschied bezüglich der Musikauswahl und der Moderation: Musik hat hier entweder den Charakter von Hintergrund-Musik, die generell nicht stört, oder es handelt sich bei den Titeln um neuere und neueste Hits, die gewährleisten, daß die Masse der Hörer auch die neueste Werbung zu hören bekommt. Unangepaßte Rock/Pop-Musik, Musik zeitgenössischer Komponisten aus dem in Deutschland als E-Musik bezeichneten Bereich oder eigenwillige Formen des Jazz werden hier grundsätzlich niemals gespielt (oder gar besprochen), da sie nicht der angestrebten ›Musikfarbe‹ entsprechen. Hier stellt sich die Frage, welcher Art der Wettbewerb im dualen System, der durch die im Zuge neuer technischer Entwicklungen erweiterten Sendemöglichkeiten wahrscheinlich zunehmen wird, eigentlich ist: Wettbewerb um ein interessantes vielseitiges Programm, das auch weniger bekannte Musik einschließt und versucht die Hörer an die Musik jenseits ihres bisherigen Horizonts – der ja ebenfalls nicht über Nacht entstand – heranzuführen, oder Wettbewerb um Werbeeinnahmen?

Von großer Bedeutung für Teile des Musiklebens wird sein, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter dem Eindruck der Konkurrenz und etwaiger sinkender Hörerzahlen ihren Kulturauftrag auf dem gleichen Niveau erfüllen werden. Zwar fordert die Rechtsprechung auch für die privaten Rundfunkveranstalter


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