- 46 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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Hauptwurzel der Krise zwischen 1980 und 1984 angesehen. Nach Zombik übertraf der Absatz von Leerkassetten den von bespielten MusiCassetten um fast das Doppelte (vgl. Zombik 1995, 496). Siegfried E. Loch (Vorsitzender von W.E.A. Musik in Hamburg) äußerte sich im ›Musikmarkt‹ 24/82 folgendermaßen:

»Zu keinem Zeitpunkt wurde mehr Musik konsumiert als heute, aber der Verkauf bespielter Tonträger ist weltweit rückläufig. (...) Gerätehersteller und Lieferanten von Leercassetten überbieten sich in immer aggressiverer Werbung. Der permanente Einsatz von Werbemillionen in einer Zeit des knappen Geldes verfehlt seine Wirkung auf den Konsumenten nicht. Jeder Besitzer eines Cassettenrekorders ist sein eigener Tonträgerhersteller. Die schleichende Enteignung der Berechtigten an Musikaufnahmen geht unaufhaltsam weiter« (Der Musikmarkt 24/82, 28).

Das ›Hometaping‹ wurde weltweit als großes Problem angesehen und mündete in der Forderung an den Gesetzgeber, eine Leerkassettengebühr einzuführen. »The greatest form of price competition is one the industry has very little control over. ›Home taping is killing music‹ has been the official industry battle cry during the 1980s. The industry sees home taping as its most pressing issue« (Burnett 1990, 91). Burnett stellt jedoch die Auffassung der IFP (Industrial Federation of Phonogram and Videogram Producers) in Frage, der zufolge jede verkaufte Leerkassette einen bespielten Tonträger substituiert.1

1 Bezogen z. B. auf den deutschen Markt im Jahr 1991 – bei einem Absatz von 158 Millionen Leerkassetten – wäre der Schaden nach der Rechnung der IFP enorm (vgl. Musik-Almanach 93/94, 596f.).
Burnett räumt ein, daß Leerkassetten zwar einen negativen Einfluß auf die Verkaufszahlen bespielter Tonträger ausüben, es aber unklar sei, wie schädlich sich dies tatsächlich auf den Tonträgermarkt auswirkt. Der Autor nimmt Bezug auf eine von der Industrie (Warner Brothers) in Auftrag gegebene Studie, die von Kapp, Middlestadt und Fishbein ausgeführt und 1982 unter dem Titel »Home Taping, A Consumer Survey« veröffentlicht wurde. Im Rahmen dieser Studie wird u. a. festgestellt, daß der ›aktive‹ Musikkonsument – also jener, der Tonträger oder Rundfunksendungen auf Leerkassetten kopiert – im Vergleich zum ›passiven‹ Musikkonsumenten mehr bespielte Tonträger kauft und insgesamt ein höheres Interesse an Musik zeigt (vgl. ebd., 92). Möglicherweise verfolgte die Industrie über die oben beschriebene Argumentation hinaus noch andere Ziele, z. B. die Kontrolle über den Musikkonsum. »Home taping represents a significant change in the patterns of consumption of music, and it can’t be stopped either technologically, or by the imposition of a levy, if only because blank tapes will always be less expensive than the equivalent prerecorded item. What is really at issue here is the ability of the record industry to control the consumption of music. Something that it has done with varied success over the years« (ebd., 92f.).

Die Veränderung des Urheberrechts 1985 in Deutschland war meines Erachtens vor allem eine Folge der Intervention von Verlagen, Tonträgerfirmen bzw. deren Verbänden sowie der die Urheber vertretenden Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) bei der Justiz und in der Politik in Verbindung mit einer massiven Öffentlichkeitsarbeit. Konnten sich diese Interessengruppen auch grundsätzlich gegen jene Unternehmen, die Leerkassetten herstellen, mit der Einführung einer Leerkassettengebühr per Gesetz behaupten, so fiel das


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