- 38 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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Aspekte in der Auseinandersetzung um die Qualitäten von analoger und digitaler Klangwiedergabe eine Rolle spielen können« (ebd., 7).

Bei der Analyse der Häufigkeiten zeigte sich, daß ein durchgehender Urteilstrend darin bestand, Compact Disc und Schallplatte mit spezifischen Klangstereotypen zu verbinden, zum anderen herrschte Uneinigkeit in den einzelnen Zuordnungen. Es erwies sich ebenfalls, daß Alter, Geschlecht und Vorbildung der Versuchspersonen keinen Einfluß auf die Ergebnisse ausübten. Nach Behne/Barkowsky legen die Daten nahe, daß viele Versuchspersonen Unterschiede zwischen analoger und digitaler Wiedergabe wahrgenommen haben, weil sie glaubten, entsprechende Tonträger zu hören. Dieses Phänomen wird als hypothesengeleitete Wahrnehmung bezeichnet. Dies bedeutet letztendlich, daß die subjektive Wahrnehmung diejenigen Ausschnitte aus der Realität herausfiltert, die die jeweilige Hypothese bestätigt.

Bei Vergleich 5, bei dem ausschließlich Compact Discs mit jeweils demselben Gerät vorgespielt wurden, nahmen 35 Hörer mit der CD-Hypothese die B-Position (CD) als »durchhörbarer«, »plastisch-räumlicher«, »brillianter«; die A-Position (Schallplatte) dagegen als »wärmer« wahr und reproduzierten mit den Aussagen typische Urteilsmuster, die allgemein mit analoger und digitaler Klangwiedergabe verknüpft werden. 24 Hörer mit der gegenteiligen Hypothese (CD an Position A) ordneten die CD-Attribute Position A, die »Wärme« der Schallplatte Position B zu, also genau umgekehrt der Logik der Hypothese folgend. Jene 101 Versuchspersonen, die keine Hypothese aufgestellt hatten, hörten dagegen keine Unterschiede. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß alle drei beschriebenen Gruppen die Musik gemäß ihrer Voreinstellung (spezifische Hypothese oder keine Hypothese) wahrgenommen haben.

Nahezu identisches Verhalten ließ sich auch bei den übrigen Versuchen beobachten, in deren Verlauf tatsächlich zwischen analogen und digitalen Klangquellen gewechselt wurde. So verlief bei Vergleich 3 (analog/digital/analog/digital; Carol Kidd »We’ll be together again«, ganze Einspielung) die Kurve im Polaritätsprofil der Antworten für die richtige CD-Hypothese spiegelbildlich zu jener für die falsche Plattenhypothese.

»Das Profil für Vpn ohne Hypothese ist wiederum mittig. Entscheidend waren also weniger mögliche physikalische Unterschiede zwischen CD und Platte, sondern die jeweils von den Vpn situativ entwickelten Hypothesen. Das führt dazu, daß Vpn mit falscher Hypothese CD-Attribute bei der Platte hören! Die Bedeutung individueller Hypothesenbildung ist für den Wahrnehmungsprozeß seit längerem bekannt (...), aber im musikalischen Bereich bisher noch nie so eindeutig belegt« (ebd., 13).

Behne/Barkowsky räumen allerdings ein, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß einige Versuchspersonen tatsächlich Unterschiede zwischen analogen und digitalen Klangquellen gehört haben. Es zeigen sich beispielsweise hinsichtlich der Gruppe ohne Hypothese bei Vergleich 4 Abweichungen von der Mitte; die CD wirkte für diese Versuchspersonen »brillianter, räumlich-plastischer«, die Schallplatte »wärmer«, was wiederum den allgemeinen Klischees entspricht, auch wenn deren Ausprägung weniger stark als bei den hypothesengeleiteten Gruppen ausfällt.

Interessant und wichtig scheint mir das letztendliche Ergebnis der Untersuchung zu sein: Die meisten Testpersonen konnten den Unterschied zwischen analoger und digitaler Klangwiedergabe überhaupt nicht hören.


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