- 35 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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»Diese offensichtlich von der Industrie geschürte und von den Blättern mit bemerkenswertem Einsatz auf dem Feld der Meßwerte geführte Offensive zugunsten der CD muß wohl aber auch als eine Gegenreaktion bewertet werden gegen die von einigen ›HiFi-Neurotikern‹ von Anfang an erhobenen Zweifel an der hörbaren Überlegenheit der Digital-Technik und insbesondere des durch die CD verifizierten Klangbildes. Einhelliger Tenor dieser in den letzten Monaten stark angewachsenen Protestfraktion innerhalb der HiFi-Gemeinde: der digital verarbeitete bzw. auf der CD gespeicherte Ton klinge unnatürlich, steril, scharf und leblos, wie aus einer Tiefkühltruhe« (ebd.).

Der Spiegel – so Csampai – äußerte sich in der Ausgabe vom 5. September 1983 zu den Unmutsbekundungen hinsichtlich der digitalen Klangästhetik in der Form, daß nicht die Digitaltechnik an der Unnatürlichkeit des Klangbildes Schuld sei, sondern zu viele von den Toningenieuren in den letzten Jahren aufgestellte Mikrofone, was bis zu diesem Zeitpunkt durch den »Rausch-Schleier« der Analog-Technik verdeckt wurde, jetzt aber, bedingt durch die »glasklare« Digitaltechnik offenbar würde.

»Der Einwand der CD-Skeptiker scheint mir dadurch allerdings nicht widerlegt. Denn warum sollte die Unnatürlichkeit vieler Mikrofone durch die Unnatur des digitalisierten Tones nicht akustisch multipliziert werden können?« (ebd., 55).

Die Kritiker der Compact Disc stießen sich in erster Linie am Prinzip der digitalen Wandlung, der Abtastung (über 40.000 mal pro Sekunde) und anschließenden Zerlegung in Binärzahlen, die dann mittels Laserstrahl »gelesen« und von einem Digital/Analog-Wandler in elektro-akustische Signale zurückverwandelt werden. Bei jener von der CD zu hörenden Musik handelt es sich nach Csampai nicht wie bei der Schallplatte um direkt in Lack oder Kupferfolie geschnittene wellenförmige Linien analogen Charakters, sondern um Klänge synthetischer Natur. Was sich den Kritikern der CD unter anderem aufdrängte, war die Frage, ob ein Ton, der in 40.000 Teile aufgespalten, anschließend in die binäre Computersprache übersetzt, am Ende der digitalen Kette wieder zusammengesetzt wird, mit dem ursprünglichen Ton identisch ist oder überhaupt sein kann. Die Industrie und die Befürworter der CD-Technologie versuchten in der Regel nicht, dieser Kritik sachlich zu begegnen; z. B. mit dem Hinweis, daß es letztlich nicht maßgeblich sei, mit welcher Technik das bessere (Hör-)Ergebnis erzielt werde, oder daß jede neue Technologie eine gewisse Anlaufzeit benötige, um optimale – innerhalb der Rahmenbedingungen des jeweiligen Systems – Qualität zu erreichen, vielmehr bezeichneten sie die Kritiker der CD als »technikfeindlich«, »reaktionär« oder gar als »HiFi-Neurotiker«. Die Diskussion um Sinn oder Unsinn des neuen digitalen Tonträgers entbehrte also nicht einer gewissen Ideologie. Dagegen stellte für viele Käufer der CD-Abspielgeräte die neue, eben andere Art der Technik einen starken Anreiz beim Erwerb derselben dar.

»Ohnehin ist klar, daß die CD einstweilen eher als technisches Produkt verkauft wird, und Repertoirewünsche noch eine sekundäre Rolle spielen. Der Käufer will erst einmal den fulminanten Klang genießen, Familie und Freunde mit der Neuanschaffung beeindrucken. Das zeigt ein Blick auf die Spitzentitel im CD-Absatz. Da herrscht vor, was ›knallig‹ und voluminös ist« (Der Musikmarkt 22/84, 5).

Csampai führte ungefähr 20 CD-LP-Direktvergleiche in Form von Selbstversuchen durch und kam dabei zu dem Ergebnis, daß einige CDs mehr rauschten als die


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