- 16 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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ohne allzu großen Aufwand rückgängig gemacht werden kann, diese Tatsache erzeugt offenkundig im Bewußtsein die stetige Aufforderung, von eben dieser Möglichkeit im Interesse einer weiter und weiter voranzutreibenden Optimierung immer wieder von neuem Gebrauch zu machen« (ebd., 399).

Knolle führt das Beispiel eines Pianisten an, der ein Musikstück immer wieder übt, sich nach einer gewissen Zeit auf der Höhe seines spielpraktischen Könnens befindet – weiteres Üben hätte keinen Sinn – und trotzdem mit kleinen Fehlern leben muß.

»Nun zum Computer: auch hier werden meine Einspielungen mit dem Synthesizer im MIDI-Recording-Programm oder die mit der Maus ›gemalte‹ Linie auf dem Bildschirm am Anfang die unvermeidlichen ›menschlichen‹ Fehler enthalten. Während ich aber ›in der Natur‹ ein zweites Mal spielen bzw. die ausradierte Linie neu zeichnen muß, mein musikalisches bzw. graphisches ›Objekt‹ also immer wieder in Teilen neu erzeugen muß, werde ich nun auf dem Bildschirm jeweils die einzelnen Spiel- und Zeichenfehler einen nach dem anderen editieren, d. h. korrigieren, ausbessern oder durch nachträglich erzeugte Varianten ersetzen. Dadurch, daß auf diese Weise ein Fehler nach dem anderen verschwindet und kein neuer Fehler hinzu kommt ist es mit Hilfe des Computers möglich, am Ende eine tatsächlich fehlerfreie Version zu erarbeiten« (ebd., 400).

Innerhalb der synthesizerbetonten Popmusik ist die Perfektion nach Knolle bereits zum stilbildenden Element geworden, als Beispiel führt er die Produktionen der Gruppe ›Art of Noise‹ an.

Das Täuschungspotential moderner Musiktechnologie erreicht eine neue Dimension, bzw. werden auch schon vorher vorhandene Manipulationsmöglichkeiten bei der Aufnahme von Musik im Tonstudio stark ausgeweitet. Verfügte auch das bisher übliche Aufnahmeverfahren über ein gewisses Täuschungspotential durch die im Studio möglichen Bearbeitungsschritte, wie den Zusammenschnitt eines bestimmten Musikstückes aus den besten Teilen einzelner Aufnahmen, dem Herausschneiden fehlerhaft gespielter Passagen und deren Ersetzung durch Neueinspielung sowie allgemein durch das Mehrspurverfahren, das vor allem bei der Einspielung von Rock-/Popmusik zur Anwendung gelangt und eine Musik ermöglicht, wie sie live grundsätzlich nicht realisiert werden kann. »Aber diese Manipulationen wurden und werden immer noch akzeptiert, weil das Endergebnis eine besser klingende Musik sein soll, als sie live meistens möglich ist« (Jerrentrup 1993, 32). Mit der digitalen Technik kann nunmehr jeder Klang, jeder Ton bearbeitet werden, was einen höchst möglichen Grad an Genauigkeit und Perfektion ermöglicht. Allerdings ist der damit verbundene Arbeitsaufwand Jerrentrup zufolge noch sehr hoch, so daß es fraglich erscheint, ob alle verfügbaren Techniken tatsächlich in umfassender Weise zur Geltung kommen werden.

Die Grenzen von »Original« und »Bearbeitung« werden durch die neue digitale Technologie neu definiert. »Nun aber ist der Übergang von »Original« und »Bearbeitung« restlos fließend, die Bearbeitungsmöglichkeit total und systembedingt angelegt sowie für den Hörer nicht mehr nachvollziehbar oder erkennbar. Ich nenne ein Beispiel: Aus der ruhigen Computermusik Modalities des amerikanischen Komponisten Joel Chadabe (1989 produziert) ist es unmöglich herauszuhören, daß ihr Duke Ellingtons Musik My Funny Valentine zugrundeliegt« (ebd.). Werden Kompositionsprogramme bei einer solchen Komposition verwandt, stellt sich zudem


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