5.1.7. Musikalische Anwendungen neuronaler Netze
Neuronale Netze wurden für Musik auf sehr unterschiedliche Weise und in verschiedenen
Kontexten eingesetzt. Es gibt im Bereich der Wahrnehmung, Verarbeitung und
Produktion von Musik viele Phänomene, die sich bisher einer exakten Theoriebildung
entziehen. Relevante objektive Informationen lassen sich nur durch Experimente mit
Hörern oder Spielern gewinnen oder aus der Musik selbst, d.h. aus Notentexten oder
festgehaltenen Aufführungen, z.B. in Form von MIDI- oder Audio-Daten. Die Prozesse,
die zwischen den verschiedenen Ebenen wie dem Notentext, der Interpretation des
ausführenden Musikers, der Reaktion des Hörers oder der Analyse durch einen Experten
stattfinden, sind im allgemeinen nicht bekannt. Hier bieten sich neuronale Netze als
subsymbolisches Verarbeitungsmodell und lernendes System an, insbesondere um
grundlegende Phänomene der Wahrnehmung zu untersuchen, aber auch um höhere
Verarbeitungsprozesse zu modellieren.
Im Bereich der Klangwahrnehmung wird versucht, die Erkennung von Klängen mit neuronalen
Netzen zu simulieren, wie z.B. in den Arbeiten von Ichiro Fujinaga, Petri Toivianen oder Christian
Spevak.23
Im Bereich der auditiven Wahrnehmung wurden auch neurophysiologische Modelle
verschiedener Teilbereiche vorgeschlagen, insbesondere Neil Todd hat hier interessante Ansätze
vorgelegt.
24
Es sind auch Modelle mit einer speziellen Struktur für bestimmte Bereiche entwickelt
worden, die keine verteilte Repräsentation benutzen, wie der konnektionistische Quantisierer
von Peter Desain und Henkjan Honing und das harmonische Modell von Jamshed
Bharucha
25 .
Für Tonsysteme und Tonalität wurde vor allem daran gearbeitet, tonale
Grundstrukturen der Musik als Folge elementarer Voraussetzungen der menschlichen
auditiven Wahrnehmung zu erklären; d.h. man versucht, mit neuronalen
Netzen die Entstehung tonaler Strukturen nachzuvollziehen, wie z.B. in den
Arbeiten von Marc Leman, Taylor und Greenhough sowie Bharucha und
Todd.26
Auch harmonische Prozesse wurden untersucht. Eine der bekanntesten Anwendungen
ist das System HARMONET von Herrmann Hild, Johannes Feulner und
Wolfram Menzel für die Harmonisierung von Chorälen im Stil Johann Sebastian
Bachs.27
Obwohl die Harmonik in der Musiktheorie der am besten systematisch
untersuchte Bereich ist, zeigt auch die computergestützte Harmonisierung, daß
sich bestimmte Entscheidungen mit bisherigen Mitteln regelbasiert nicht
zuverlässig treffen lassen. Die Aufgabe der Harmonisierung von Chorälen
hatte bereits 1986 Kemal Ebcioglu mit einem regelbasierten Expertensystem
bearbeitet.
28
Dabei zeigte sich, ähnlich wie bei der Umsetzung des Fuxschen Regelwerks durch
Schottstaedt,
29
daß es sehr schwierig ist, ein Regelwerk zu formulieren, das alle Aspekte der
Harmonisierung abdeckt. Insbesondere die Beziehungen der Regeln untereinander sind
schwer zu bestimmen. HARMONET ist mehrstufig aufgebaut