Universität eine ›Prosa-Version‹ des
Anfangs von Mozarts g-Moll Sinfonie (KV 550) auf der Basis von Symmetrie-Überlegungen
entworfen.
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Auch wenn das Ergebnis für einen erfahrenen Musikhörer intuitiv überzeugend sein mag,
sind diese Überlegungen doch nicht wissenschaftlich fundiert.
Das zweite Problem des Grammatikansatzes ist, daß Grammatiken allein weder zum
Verstehen von Sprache noch von Musik ausreichen. James Meehan schreibt in Bezug auf
semantisch basierte Ansätze der Sprachverarbeitung:
»Understanding language [...] requires an understanding of people; it has
very much to do with cognitive psychology and very little to do with
grammar.«38
Die Analyse von Sprachstrukturen auf der Basis von Semantik läßt sich aber nur schwer
auf Musik übertragen, da die Definition einer Semantik von Musik kaum möglich ist.
Musik kann zwar eine Bedeutung haben, es ist aber nicht klar, welcher Art diese
Bedeutung ist und wie sie zu bestimmen wäre. Zumindest ist der Grad an
intersubjektiver Übereinstimmung bezüglich der Bedeutung von Musik sehr viel geringer
als bezüglich der Bedeutung von Sprache.
Beziehungen, die nicht im Ableitungsbaum enthalten sind, sind in einer Grammatik nicht in
natürlicher Weise darzustellen. So schließen Lerdahl und Jackendoff Beziehungen, die nicht in
einem Ableitungsbaum enthalten sind, explizit von ihrer ›Generative Theory of Tonal Music‹
aus.39
Gerade Wiederholungen und Variationen sind aber ein wesentlicher Teil der Struktur
von Musik, auch wenn diese nicht im gleichen Zweig eines Ableitungsbaums erscheinen.
Motivische Beziehungen in der Musik basieren darauf, daß Motive wiedererkannt
werden und daß dieses Wiedererkennen Einfluß auf die wahrgenommene Struktur
hat.
Eine Erklärung für den Status musikalischer Grammatiken
könnte das Schema-Konzept im von Bruhn beschriebenen Sinne
sein.40
Wenn man annimmt, daß es unter den Schemata, die beim Hören von Musik aktiviert
werden, solche gibt, die grammatischen Regeln entsprechen, lassen sich grammatische
Strukturen gut in ein umfassenderes Modell musikalischer Kognition integrieren. Die
Betrachtung von Grammatiken im Sinne kognitiver Schemata ermöglicht eine sinnvolle
Interpretation der Unterscheidung zwischen grammatischen und ungrammatischen
Strukturen. Grammatische Strukturen einer Sprache entsprechen grundlegenden und
allgemein akzeptierten Normen für den Aufbau von Sätzen. Abweichungen von diesen
Normen erschweren die Interpretation, machen jedoch im künstlerischen Bereich oft den
Reiz einer Wendung aus. Die Interpretation ungrammatischer Strukturen hängt
von weiteren Parametern ab. In der Sprache ist dies vor allem die Semantik,
in der Musik sind es die Aspekte der Harmonik, Rhythmik und Form, die in
grammatischen Darstellungen nicht enthalten sind. Die Frage ist, wie diese weiteren
Aspekte der Musik in einer Analyse zu untersuchen und zu berücksichtigen
sind.
Trotz der Beschränkungen von Grammatiken, hat sich der Grammatikansatz als fruchtbar
für die musikalische Analyse erwiesen. Insbesondere die Annahme einer hierarchischen
Gliederung, die sich schon im Schenkerschen Analysemodell findet,