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die Versuche von Handel gezeigt haben.31 Man muß auf jeden Fall davon ausgehen, daß eine zusammenhängende Gruppierung erfolgt. Wahrscheinlicher ist, daß eine erhöhte Aufmerksamkeit auf den Zählzeiten zu einer intensiveren Wahrnehmung führt.32

4.2.4.  Grammatiken für Musik

Wie bereits erwähnt, sind Grammatiken in der Folge von Chomskys Entwicklungen33

als ein wesentliches Mittel der Modellierung kognitiver Strukturen betrachtet worden. Der Ansatz, Grammatiken nicht nur zur Beschreibung, sondern auch zur Erzeugung und formalen Definition von Sprache zu verwenden, hat auch in der Musikwissenschaft zu neuen Überlegungen geführt, Musik ebenfalls in solchen Strukturen zu beschreiben und auf dieser Basis Musik zu erzeugen. Vor allem die Möglichkeit der Automatisierung formal klar beschriebener Vorgänge und die damit verbundene Möglichkeit automatischer Analyse und Komposition haben die formalisierte Beschreibung musikalischer Prozesse nach den weniger erfolgreichen Versuchen des neunzehnten Jahrhunderts wieder zu einem Gegenstand der Forschung werden lassen.

Bei der Anwendung des Konzepts der generativen Grammatik auf Musik ergeben sich zwei grundlegende Probleme. Beide liegen in der Zielsetzung generativer Grammatiken begründet. Chomsky schreibt: »Das grundsätzliche Ziel bei der linguistischen Analyse einer Sprache L ist es, die grammatischen Folgen, die Sätze von L sind, von den ungrammatischen Folgen, die nicht Sätze von L sind, zu sondern und die Struktur der grammatischen Sätze zu studieren.«34

34 Chomsky (1957, S. 15).

Dieser rein formal-syntaktische Standpunkt stellt eine wesentliche Beschränkung des Ansatzes dar. Chomsky führt als Beispiele für seine Auffassung Sätze mit allen Kombinationen von Grammatizität und inhaltlicher Sinnhaftigkeit an, um die Unabhängigkeit der Grammatik von der Semantik deutlich zu machen.35

35 Chomsky (1957, S. 17–18).

Eine klare Abgrenzung der Bereiche von Syntax und Semantik ist aber in der Musik nicht gegeben.

Musik gilt im allgemeinen als Kunst, das Analogon in der Sprache wäre also eher Dichtung als Prosa. Dichterische Sprache widerspricht jedoch oft syntaktischen Regeln. Jackendoff und Lerdahl schreiben dazu:

»In order to appreciate the poetic or dramatic structure of a poem in French, one must first understand the French language. Similarly, to appreciate a Beethoven quartet as art, one must understand the idiom of tonal music [...].«.36

Dieser Vergleich wirkt zwar plausibel, wirft aber das Problem auf, daß es keine ›musikalische Prosa‹ gibt, aufgrund derer man Regeln des ›Idioms der tonalen Musik‹ bestimmen könnte. Bernstein hat in seinen Vorlesungen an der Harvard


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