3.2. Integration und Segregation von Ereignissen
Die Extraktion von Ereignissen aus dem Strom der akustischen Daten, der uns ständig
umgibt, ist der erste Schritt der Informationsreduktion. Sie ist Voraussetzung für die
Verarbeitung und Interpretation von Rhythmen und damit auch von Melodien. Die
Erkennung diskreter Ereignisse, wie Noten oder Phoneme, ist Voraussetzung für die
Strukturierung in bedeutungstragende größere Einheiten wie musikalische Motive und
Phrasen bzw. Wörter und Sätze. Der Effekt einer Einteilung von Signalen tritt auch in
anderen Modalitäten als der auditiven auf, so etwa bei der Erkennung optischer
Signalfolgen.13
Würden wir in den Klängen, die ständig unsere Wahrnehmung erreichen, nicht
akustische Ereignisse identifizieren, wäre Musik ohne Noten und Sprache ohne Wörter,
Silben und Buchstaben. Es gäbe nur einen permanenten Signalstrom, den wir weder
speichern noch verarbeiten könnten. Die Zerlegung in diskrete Ereignisse ist eine aktive
Leistung der Wahrnehmung, die die Informationsflut durch Strukturierung reduziert. Die
eintreffenden Daten werden dabei in eine Repräsentation durch abstraktere Objekte
überführt.
Dieser erste Abstraktionsschritt ist so tief in der Wahrnehmung verankert, daß er uns
kaum bewußt wird. Die Identifizierung akustischer Ereignisse in Form von Noten führt kaum
zu Mißverständnissen und wurde auch vergleichsweise selten in der Musikpsychologie
untersucht.14
Sie ist aber von großer Bedeutung für die automatische Transkription und andere
Probleme der Analyse von Audiodaten.
Von Bedeutung für die Wahrnehmung von Rhythmen ist vor allem der Beginn einer
Note. Einsatzzeiten von Noten sind wichtiger als Endzeiten, wie bereits Riemann
bemerkte:
»Der Höhepunkt der dynamischen Entwickelung fällt
bei den Motiven aber stets auf den Beginn, die
Einsatzzeit eines Tones, nicht aber auf dessen Mitte oder
Ende.«15
Dafür spricht, daß der Endpunkt einer Note durch allgemeine Phänomene der
Raum- bzw. Umgebungsakustik und bei vielen Instrumenten auch aufgrund des
Instrumentalklangs (z.B. beim Klavier) schwerer zu bestimmen ist als der Beginn. Auch
Überlegungen der ökologischen Validität und empirische Befunde stützen diese
Annahme.16
Wann genau der Beginn einer Note wahrgenommen wird, hängt von der Beschaffenheit
des Klangs, also von der Entwicklung der Intensität seiner Frequenzanteile ab.
Für komplexe Klänge ist die Bestimmung der wahrgenommenen Einsatzzeiten
schwierig, die Zeitdifferenz zwischen physikalischem und wahrgenommenem Beginn
des Klangs kann aber bei Klängen mit kurzer Einschwingzeit vernachlässigt
werden.
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Zur Segregation und Integration von Ereignissen sind einige Eckwerte empirisch
bestimmt worden. Aufgrund der Plastizität des menschlichen Gehirns ist aber nicht